Images Collection
View this article in Search Friendly Plain Text
NOTE: This plain text article interpretation has been digitally created by OCR software to estimate the article text, to help both users and search engines find relevant article content. To read the actual article text, view or download the PDF above.
» ARZNEIMITTEL-FO RS CHUNG«
(Arzneim.-Forsch. 6, 628—635 [1956])
Editio Cantor / Aulendorf i. Wiirtt.
Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Bern; Direktor: Professor Dr. med. W. Wilbrandt
Der Netzbau der Spinne als Test zur Prüfung zentralnervös angreifender Substanzen
Von
Dr. Peter N. Witt
Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Bern; Direktor: Professor Dr. med. W. Wilbrandt
Der Neubau der Spinne als Test zur Prüfung zentralnervös angreifender Substanzen
Von Dr. Peter N. Witt Einleitung:
Zentralnervös angreifende Substanzen zeigen oft, wenn man sie Tieren appliziert, ein charakteristisches Wirkungsbild. So schreibt z. B. H a u s c h i 1 d [10] über 1 – Phenyl-2-methflaminöpropanhydrochlorid (Pervitin, WZ):.»Als positiv im Sinne eines zentralen Effektes wurde bei der Ratte das unverkennbare und eigenartige Umherblicken gewertet, welches von typischen Bewegungen des Kopfes und der Augen- begleitet war. Das gerade deutlich erkennbare Auftreten, dieses Zustandes wurde als unterste zentralwirksame. Grenzdosis angesehen und diese ‘b.éi einer großen Zahl von Deren ermittelt . . Das geschilderte Verhalten ¿er Ratte.; hat sich nicht zu einem überall anwendbaren Testverfahren zur Identifizierung üœ quantitativen Bestimmung des Pervitins ausbauen, lassen. Die/^Ursache., liegt wohl in der mangelnden Objektivîerbàr-kèit des Verhaltens; es läßt sich kaum von verschiedenen (Beobachtern meßbar gleidi^repWdúzieren. Andererseits sind es, gerade. Jyerhalten|^eränderungeii, die am charakteristischsten zentralñe^^^ Vergiftung gen widerspiegeln; wenn man sijä|bbiektiv erfaßbar und meßbar machen könnte};,s:0 hätte-die’ Pharmakologie der zentralnervös angreifend,en Medikamente neue*
> EhtwithlüngSmôglichl|bit^MS^^”^^Æ^Bt’>l 1
Diese Aufgabe äB|b sich ganzj^besonders dasvítííjí, binger Pharmakologische Instici* während im. benachbarten Zbolbgischfen Institut ‘Hans M. P e tflfif” der Netzbarf^de^S^^^® erforscht’und das fertige Netz in.’jahrelangen; sorgfältigen Arbeiten -vermessfen und ^näl^flrt wurde. Dabei hatte sich immer wieder die’-Schwierigkeit ergeben, daß« das Netzbaü-VeipföiTten ¡pilbst schwer zu beobachten warf ’da es ‘nachts stattfindet; nurH»s|;3Ergebni’S;|das fertige’ Netz, war a!m nächsten Morgen der Wnt^puchung zugänglich. Da kam P e t e r s auf den Einfall, den Netzbau durch ‘zentral stimulierende Mittel vorzuverlegen’, vielleicht • JÉ weit zìi Wafemiebenl daß er bei hellem^Tag^slidit abliefe und sogar gefilmt werdenrkqnnte. Dieser Plan hat sich, auch nachjhjahrelangen Versuchen mit’¡zahlreichen zentral erregenden Substanzen*- nicht durchführen lassen;;.,der Netzbau der Spinnen konnte: bisher ( dürch Verabfolgung von Medikamenten nicht vorr oder zurückverlegt .werden. Aber als Nebenbefund ergab sich, daß z. B. unter dem Einfluß dgs&erwendeten Pervitins merkwürdige Unregelmäßigkeiten in den Netzen auftraten [21]. ff^Mpggrkdfes^lUnregelmäßigkeiten beobachtet wurden, desto, deutlicher schälten sich charakteristische Netzformen für\di]i\|Wirkungen einzelner, Substanzen heraus.
Diese Beobachtungen wurden zum Ausgangspunkt für die Ausarbeitung.eines .Tests zur’Prrüfung zentral-nervös angreifqiidbr Substanzen am Netzbau der Spinne, über den im folgenden zusammen mit den ersten Ergebnissen berichtet werden Voraussetzungen und Methodik:
Wohl die wichtigste VoraussefzungzüifiVerständnis des unter dem”Einfluß von Substanzen abnormal véír-laufenden Netzbaues ist die Kenntnis desjh.o r m a -len Spinnennetzes, Und;hi^b wieder ist es das Netz der in Mitteleuropa sehr häufigen Gartenspinne Zilla-x-notata CI., das sich für den pharmakologischen Test am besten bewährt hat. Die Eigenart von Zilla liegt nämlich darin, daß sie ihr Radnetz nicht, wie z. B. die Kreuzspinne (Aranea diademata), beinahe kreisrund anlegt, um dann in der Mitte auf hineinfliegende Beute zu lauern; sondern ihr Netz ist länglich-oval und enthält meist rechts oder links oben einen sogenannten freien Sektor (Abb. 1), der beim Bau der Spirale frei elassen wurde. Durch diesen freien Sektor zieht der ignalfaden vom NetzrZentrum, der Nabe, zum Schlupfwinkel der Spinne und verbindet deren auf dem Signal-faden ruhenden Beine taktil über das Zentrum und die Radien mit allen Netz-Teilen. Ein so zartes Gebilde
wie ¿as Spinnennetz wird täglich beschädigt, es wird täglich neu gebaut wenn es weitgehend zerstört wurde, und. da ist eà>$ür den Beobachter einfacher, wenn die ■ Spinne außerhalb des Netzes einen festen Wohnsitz, den Schlupfwinkel, besitzt, von wo-aus sie immer wieder an die gleiche Stelle ihr Netz bauen kann.
i *Bpìnne\ist èitt Ta s 11 i e r, d. h..!w|r Tastsinn ist bei ihj;,vpr allem amm Sinnen” Entwickelt; er spielt die wichtigste Rolle rn ihrem Leben. So kann man sich das ganze N.eiz eigentlich als ein verlängertes Tast-^^^^SrsteUen, dessen geringste Berührung dem ■BpgEals Erschütterung, oder Spannungsänderung der Fäden VEfitíi]ttélf wird. Schon 1880 entdeckte Boyes. [5],’ daß Spinnen eine äii das Netä: gehaltene schwingende Stimmgabel nicht von dem Surren der Flügel einer gefangenen Fliege unterscheiden können: sie kommen am Signalfaden entlang aus dem Schlupfwinkel in die Nabe, laufen am entsprechenden Radius zu der Gabel und bemerken ihren Irrtum erst, wenn sie in das Metall beißen (Peters [18]). Baltzer [1] beobachtete, daß eine hungrige Spinne eine selbst ai-rekt vor ihr vorbeilaufende Fliege nicht angriff, weil sie diese, auf dem Tisch sitzend, ohne Vermittlung des Netzes offenbar überhaupt nicht bemerkte. Und Peters [17] führte schließlich einen entscheidenden Versuch durch: er blendete die Tiere durch Àusbrennen oder Überlackieren der Augen, wonach er keine Veränderungen in ihrem Verhalten beobachten konnte.
Selbst der Netzbau verlief normal. Dies zeigt, daß nicht allein das Verhalten des Tieres im fertigen Netz durch den Tastsinn bestimmt ist; auch der ganze Netzbau wird durch Abgehen von Entfernungen (Peters [19]), Abtasten von Spannungen und Baulücken (König [12]) und Wahrnehmung des Schwerefeldes (Peters [20]) bestimmt. Danach scheint die Hauptaufgabe des Spinnennetzes darin zu bestehen, daß es das Tier durch möglichst wenige Fäden mit einem möglichst großen Raum in Verbindung bringt, so daß es in diesem Raum tastend die Beute wahrnehmen und fangen kann.
Die wichtigste Funktion des Netzes ist also wohl die Vermittlung von Beute, und ohne Netz muß die Spinne verhungern; so wird wohl der Hunger einer der Triebe sein, der den Netzbau in Gang bringt. Leider ist nicht viel darüber bekannt, wie weit die Größe des Netzes und die Häufigkeit seines Baues mit dem Hunger zusammenhängt; verschiedene Autoren glauben beobachtet zu haben [17, 26, 33, 34], daß vollgefressene Spinnen kleinere oder gar keine Netze bauen. Aber zumindest zwei weitere Faktoren sind für die Auslösung des Netzbaues wichtig: Temperatur und Licht. Versuche von S p r o n k im Thermostaten deuten darauf hin [24], daß Spinnen den Netzbau nur während des Temperaturabfalles oder Temperaturminimums beginnen, und Witt [33] konnte zeigen, daß bei gleichmäßiger Temperatur, gleich ob diese hoch oder niedrig war (zwischen 15 und 26° C), Spinnen signifikant weniger bauten als bei wechselnder Temperatur. Auch die täglichen Helligkeitsschwankungen scheinen einen Einfluß auf die H äufigkeit des Ne t z -b a u e s zu haben, wie deutliche Unterschiede in der Netzbaufrequenz zwischen gleichmäßig im Dunklenoder Hellen oder bei Tag und Nacht in wechselnder Helligkeit gehaltenen Spinnen zeigten. Letztere Gruppe baute am häufigsten [33]. Eine im 24-h-Rhytmus wechselnde Temperatur und Beleuchtung und ein möglichst gleichmäßiger Hungerzustand sind also einige der wichtigen Voraussetzungen, die eine Spinne im Laboratorium zu gleichmäßigem Netzbau veranlassen: Ersterer wurde durch Aufhängen der Rahmen nahe am Fenster, letzterer durch eine kontrollierte Diät von täglich 1 bis 3 ins Netz gehängte Drosophila eingehalten.
Wolff hat durch Versuche zeigen können, wie man die Spinne nach Entdecken, Aufsuchen, Vergiften und Einwickeln der Beute (Peters [16]) zu einem möglichst langen, gleichmäßigen Einsaugen von Flüssigkeit bringen kann. Schon früher ist der dabei wichtige Geschmackssinn der Spinnen analysiert worden [2, 3, 4, 6], aber erst Wolff u. Hempel [34] führten den Zucker als Geschmackscorrigens für Arzneilösungen ein — einen so günstigen Geschmack, daß er die Spinnen zum willigen Trinken selbst bitterer Chinin-Lösungen veranlaßt. Dies und die Wägung der Trinkmenge von Spinnen durch die gleichen Autoren waren die Voraussetzungen für die Ausarbeitung einer rationellen Applikation von Medikamenten peros für das Testverfahren. Statt einer Fliege kann auch bloß deren ausgedrückter Hinterleib, gefüllt mit gezuckerter Medikamentlösung, verwendet werden; dieser wird ins Netz gehängt und durch eine darangehaltene Stimmgabel zum Schwingen gebracht, wodurch das Tier zum Trinken veranlaßt wird. Wenn man die Beute vor und nach dem Trinken wiegt, kann man aus Trinkmenge und Medikament-Konzentration die aufgenommene Menge wirksamer Substanz recht genau berechnen.
Die Applikation von Substanzen durch Inhalation bietet auch weiter keine Schwierigkeiten. Allerdings war es bei den bisher untersuchten Gasen (Stickoxydul und Äther, Schwarz [23], Kohlenmonoxyd und Kohlendioxyd, Epelbaum [7]) schwierig, eine Konzentration in dem luftdichten Zylinder mit darin befindlichen Rahmen einzustellen, die den Netzbau nicht ganz unterdrückte. Gute Ergebnisse zeigt die von Schwarz [23] eingeführte Methode, bei der man die Spinne das Grundgerüst des Netzes bis zum Ende der Hilfsspirale unbeeinflußt bauen läßt und sie erst dann schnell in die Gasatmosphäre
bringt. So setzen sie auf die regelmäßige Radienkon-struktion eine charakteristisch veränderte Spirale auf.
Wolff u. Hempel [34] gaben als erste auch Substanzen durch Injektion. Hierbei wurde mit einer Mikrospritze in den Rücken der narkotisierten Spinne unter Vermeidung des Herzschlauchs in der Medianlinie eine kleine Menge der Flüssigkeit eingespritzt. Allerdings trat in der Folge eine Sterblichkeit von etwa 50°/o der behandelten Tiere auf, die auf die Verletzung des Chitinpanzers zurückgeführt werden muß. Aussichtsreicher scheint eine Methode von F y g [9], die bei Bienen angewendet wird; hier wird dem Tier eine kleine quadratische Chitinplatte an drei Seiten aus dem Rücken gelöst und die Injektion unter das angehobene Stück gegeben. Die Chitinplatte kann anschließend wieder zurückgelegt und mit einer elastischen Masse fixiert werden. Diese Methode muß aber für Spinnen erst ausprobiert werden.
Die eingangs erwähnte konstante Netzbau-Zeit erweist sich als günstig, um verschiedene Phasen einer Medikamentwirkung durch den Netzbau zu erfassen. Man braucht nur verschiedenen, immer um die gleiche Zeit bauenden Spinnen die zu untersuchenden Substanzen zu verschiedenen Zeiten zu applizieren, um an den auftretenden Netzveränderungen Phasen, Höhepunkt und Dauer der Wirkung abzulesen. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Wirkung bei Spinnen relativ langsam eintritt und recht lange anhän (Witt [33]).
Nur von März bis Oktober sind Spinnen im Freien zu finden. Die durchschnittliche Lebensdauer von Zilla-x-notata CI. beträgt 5 Monate, und nur in der zweiten Hälfte ihres Lebens eignen sich die Tiere für Versuche. Witt [33] konnte aber erreichen,, daß durch Zucht im Zimmer das ganze Jahr lang Spinnen zu Experimenten vorhanden waren. Auf die dabei auftretenden Schwierigkeiten und auf die günstigsten Bedingungen für die Zucht kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden.
Der Ablauf des Netzbaues ist hauptsächlich durch die Beschreibungen von W i e h 1 e [27] und Peters [20] bekannt geworden. Man muß ihn im einzelnen kennen, um aus den beobachteten Veränderungen der Netze auf Störungen des Bewegungsablaufes oder Fehlorientierungen während des Baues rückschließen zu können. Der Bau verläuft in Phasen, deren jeder ein bestimmter, komplizierter Bewegungsrhythmus zugrunde liegt. Der gleiche Bewegungsablauf wiederholt sich so lange, bis er unmöglich geworden ist (völlige Ausfüllung des zur Verfügung stehenden Raumes) oder bis die Phase sich erschöpft hat. Dies konnte von König [12] z. B. für den Radienbau analysiert werden: er konnte experimentell sowohl durch Einsetzen künstlicher Radien in das im Bau befindliche Netz den Radienbau vorzeitig beenden, als auch durch Herausbrennen bereits gebauter Radien ein Nachziehen bis zur insgesamt l,5fachen Radienzahl erreichen. Dann hörte die Spinne auf, die Phase fortzuführen, selbst wenn sie an der Erreichung ihres Zieles durch Abbrennen der Radien gehindert worden war. Nach Beendigung einer Phase beginnt eine neue Phase, für die ein neuer Bewegungsrhythmus und manchmal eine neue Fadenart verwendet wird. Der Bau eines Radnetzes dauert im Mittel 30 min.
Für die Anlage des ersten Fadens wird entweder eine schon vorhandene Brücke benutzt, oder durch Fliegenlassen eines Fadens, der sich irgendwo verfängt und dann angestrafft wird, eine Brücke gebaut. Diese erste Brücke wird am Ende durchgebissen, und indem die Spinne mit den Vorderbeinen den alten Faden aufknäuelt, während sie mit Hilfe der Hinterbeine schneller neuen Faden hinausläßt, bildet sie selbst die Brücke zwischen zwei im nach oben offenen Winkel gegeneinander laufenden Fäden. Klebt sie die beiden Fäden etwa in der Mitte zwischen den Ansatzpunkten zusammen und läßt sich von dort an einem neuen Faden auf die Unterlage hinunter — so ist das Y-förmige Grundgerüst entstanden, dessen Schnittpunkt das zukünftige Netzzentrum andeutet.
4
Danach werden Radien und Rah men lä den miteinander gebaut, wobei die Spinne beim Laufen immer einen Faden hinter sich her zieht.
^ „Wird beispielsweise ein Faden in der Nabe fixiert und läuft nun die Spinne auf einem der Schenkel des Y-förmigen Grundgerüstcs nach der Periphere, so ist dieser Schenkel vorerst doppelfädig. Läßt sich nun die spinne von diesem peripheren Schenkelpunkt fallen, indem sie den soeben gesponnenen Faden mit sich in die Tiefe hinabzieht, so trennt sie die eben noch doppelten Schenkel ähnlich wie man einen Zirkel öffnen würde. Findet sie nun die Öffnung beider Schenkel genügend groß, so haftet sie ihn am Faden an, an dem sie sich fallen ließ: die Schenkel sind zu zwei Radien geworden. Sie läßt sich aber bis auf die feste Unterlage fallen und verlängert auf diese Weise die Grundlinie des Dreieckes, gebildet aus den beiden Schenkeln, die ihre Spitze in der Nabe haben, und dem Rahmenfaden.** (Peters [20]).
Der Radienbau wird beendet, wenn eine gleichmäßige Verspannung nach allen Seiten festgestellt wird (Abb. 2).
Die Radien laufen zentral nicht in einem Punkt zusammen, sondern in einem feinen Geflecht, der Nabe, aus der sich nach Beendigung des Radienbaues die provisorische H i 1 f s -spirale windet, die außen am Rahmenfaden endet (Abb. 3). Diese dient zur vorläufigen Fixierung der Radien und als Brücke für die Spinne beim Anlegen der Klebspirale.
Die am Rahmen beginnende Kleb-spirale ist nicht nur in ihren . Proportionen ein besonders feines Reagens auf die Wirkungen von Medikamenten (Witt [30]), sondern sie ist auch aus einem besonders zarten, mit Klebstoff überzogenen Faden gesponnen.
Sie hat somit kaum eine Stützfunktion, sondern vorwiegend die Aufgabe, die Fläche zwischen den Radien für fliegende Insekten zur Falle zu machen. Die Abstände der Spiralumgänge nehmen von außen nach innen entweder nach Art einer logarith- Abb. 3: Netz im Bau; nun sind alle Ra-
misAea Spirale ab |§IHHp ÄdS
(F aure [8]), oder bereits die ers-ten Klebspirolum-
sie bleiben etwa gänge zu erkennen.
gleich und streuen um einen Mittelwert (Peters [19]). Bei dem ovalen Netz von Zilla wird die besondere längliche Form und der freie Sektor durch häufiges Umkehren der bauenden Spinne erreicht, die hier sogenannte Pendelzüge anlegt. Die Bewegungsfolge beim Spiralbau wurde am eingehendsten von Jako-bi-Kleemann ([11], s. dort weitere Literatur) mit Hilfe von Filmaufnahmen analysiert. Die Spirale endet nahe der Nabe, ohne diese ganz zu erreichen (freie Zone von Wiehl e). In der Nabe selbst ist vom Radienbau her ein Fadenflöckchen übrig geblieben, das nun von der Spinne herausgebissen wird, und damit ist das Ende des Netzbaues erreicht. Die Spinne
kehrt in ihren Schlupfwinkel zurück und begibt sich in Lauerstellung, die Vorderbeine auf den Signalfaden gelegt.
Das fertige Netz ist also die mehr oder weniger genaue Aufzeichnung eines komplexen Bewegungsablaufes, und diesem Bewegungsablauf liegt eine Instinkthandlung zugrunde. Wenn das Netz meßbar gemacht wird, so ist die eingangs aufgestellte Forderung nach einem meßbaren Verhaltens Vorgang erfüllt. Das frische Netz ist beinahe unsichtbar und so fein, daß es bei der leichtesten Bewegung zerreißt; deshalb muß es dauerhaft und meßbar abgebildet werden. Nur die quer zum eiüjfallenden Licht verlaufenden Fäden reflektieren das Licht, so daß photographische Netzaufnahmen meist nur bestimmte Sektoren deutlich zeigen. Durch die mündliche Mitteilung von Homann (Göttingen) wurde uns ein Verfahren bekannt, das die Fäden gut sichtbar macht, ohne die Spinne zu irritieren. In einem geschlossenen Kasten werden zwischen die hineingestellten Rahmen mit Netzen Schälchen mit Ammoniak und Salzsäure abwechselnd aufgestellt. Die aufsteigenden Gase verbinden sich in der Luft zu fein verteiltem Ammoniumchlorid, das sich an den Netzfäden als weißer Belag niederschlägt. Wird das Netz nun vor einem dunkelen Hintergrund seitlich beleuchtet, so tritt jeder Faden klar hervor und kann auf Kopierfilm mit Hilfe einer Kleinbildkamera leicht photographiert werden. Wichtig ist es dabei, daß die optische Achse der Kamera im rechten Winkel zur Netzfläche verläuft, damit eine proportionsgerechte Abbildung erzielt wird, und daß ein Maßstab mitphotographiert wird, so daß man das Negativ später wieder auf die ursprüngliche Größe bringen kann.
Die Netzphotographie wird am Morgen nach dem nächtlichen Bau gemacht, und danach ist das Netz zum Füttern, Applizieren von Substanzen und Zerschneiden bereit, während die Photographie zu beliebiger späterer Zeit ausgemessen werden kann. Im hiesigen Laboratorium projizieren wir das Negativ dann auf eine Mattscheibe, auf der mit Winkelmesser, Planimeter, Zirkel und Lineal jede Proportion vermessen werden kann. Für den praktischen Gebrauch des Pharmakologen haben sich eine Reihe einfacher Maßzahlen bewährt, deren Einführung teilweise auf frühere Messungen an Normalnetzen von Peters zurückgeht, teilweise das Resultat eigener Beobachtungen über häufig bemerkte Netzveränderungen darstellt.
1. Die Netzbauhäufigkeit kann in °/o derjenigen unbeeinflußter Spinnen am gleichen Tage oder durch Vergleich mit anderen Tagen ermittelt werden. Sietist besonders im Frühjahr, Spätherbst und Winter reduziert und hat sich als leicht und uncharakteristisch beeinflußbare Maßzahl herausgestellt. Während der alle paar Wochen stattfindenden Häutungen unterbricht eine Spinne im Mittel den Netzbau 5 Tage lang.
2. Die Größe der Fangfläche, die sich im Laufe des Lebens einer Spinne ändert (Witt [33]), wird durch Umfahren des äußersten Spiralumganges mit dem Planimeter gemessen, wobei der freie Sektor auf dem kürzesten Wege überbrückt wird. Der Mittelwert aus drei Messungen ergibt ausreichend genaue Werte, um Veränderungen zu charakterisieren.
3. Das Verhältnis von Länge zu Breite der Fangfläche wird als Quotient aus den Maßen für die senkrechte und waagerechte Achse der unter 1. beschriebenen Fangfläche gemessen und errechnet. Eine Veränderung dieser Proportion deutet vielleicht auf eine Veränderung des Raumlagesinnes der Spinne hin, wie der Vergleich mit Versuchen von Peters [19] ergibt, der den Rahmen beim Netzbau um 90° drehte. (Hiernach wurde auf das nun gedrehte Grundgerüst eine in der neuen Lage richtige Spirale aufgesetzt.)
4 Im allgemeinen gilt die Regel, daß die Spinne immer dann noch einen Radius einsetzt, wenn ein Winkel größer als die Summe seiner Nadibarwinkel ist. Von dieser Regel abweichende, besonders große Winkel werden als übergroße Sektoren bezeichnet und ihre erhöhte Zahl im Netz deutet auf unvollständigen Radienbau hin (Peters, Witt u. Wolff [22]).
5
5. Ein Maß für die Winkel-Regelmäßigkeit ergibt sich, nachdem die Sektoren ausgemessen sind, deren Schenkel die Verbindung zwisdien einem willkürlich in der Nabe angenommenen Zentrum mit den Ansatzpunkten der Radien am Rahmen bilden. Da die Größe dieser Winkel kontinuierlich von oben nach unten im Netz abnimmt (Peters), wird ihre Regelmäßigkeit wohl am besten durch den Mittelwert der Differenzen der Nachbarwinkel ausgedrückt.
6. Die Lage derNabeim Netz kann durch Medikamente entweder im Sinne eines Näher- oder Wegrückens vom Schlupfwinkel oder im Sinne großer Streuung von Tag zu Tag verändert sein. Sie wird dadurch ermittelt, daß vom Schlupfwinkel durch das Netzzentrum zum gegenüberliegenden äußersten Klebfaden eine Gerade gezogen wird; auf dieser ist der Quotient aus der Entfernung Schlupfwinkel—Nabe und Nabe— Netzrand charakteristisch für die Nabensymmetrie.
7. Klebfaden-Abstände sind nur in seltenen Fällen gemessen worden. Sie werden entlang einem Radius an drei benachbarten Radien im unteren Netzteil ermittelt, und es wird wieder der Mittelwert der Differenzen benachbarter Abstände als charakteristische Maßzahl für ihre Regelmäßigkeit angesehen. Ihre Ermittlung ist nicht nur sehr zeitraubend und mühsam, sondern meist sind die charakteristischen Veränderungen des Spiralverlaufes so deutlich, daß keine Maßzahl zu ihrer Erfassung notwendig ist.
Alle erhaltenen Werte werden jeweils für das Netz am Tag vor und nach der Medikamenteinwirkung gepaart und dann der Mittelwert mit dem T-Test [13] mit dem hypothetischen Wert Null verglichen unter der Annahme, daß Netze des gleichen Tieres an aufeinanderfolgenden Tagen beinahe gleiche Proportionen haben (siehe hierzu Witt [33]). Dieses Verfahren, das wohl geeignet scheint, um den Ergebnissen je nach P-Wert ein größeres oder geringeres Gewicht zu verleihen, ist nicht immer und von allen Autoren angewendet worden. Seine leichte Durchführung scheint es mir — besonders im Hinblick auf Reproduzierbarkeit der Ergebnisse von Labor zu Labor — unbedingt empfehlenswert zu machen.
Es hat sich gezeigt, daß man Versuche mit einer Substanz zu einer bestimmten Zeit mindestens an zwei verschiedenen Tagen anstellen soll, da man so mögliche Witterungseinflüsse ausschaltet. In den meisten Fällen konnte mit 20 bis 30 Spinnen pro Versuch ein statistisch signifikantes Ergebnis erzielt werden (Witt [31]).
Bisher erzielte Ergebnisse
Nachdem die Methodik, um sie reproduzierbar zu machen, verhältnismäßig ausführlich dargestellt wurde, kann die Übersicht über die mit dem Spinnentest an-gestellten Versuche kürzer gefaßt werden. Die Auswertung ist nicht immer einheitlich durchgeführt worden, und bei früheren Versuchen war der Test noch nicht so weit entwickelt. Die Netz-Veränderungen werden im folgenden durch Stichworte charakterisiert werden, deren Bedeutung im vorangegangenen Teil erklärt wurde. Leichte Netzveränderungen werden im allgemeinen durch veränderte Maßzahlen erfaßt, schwere Veränderungen im Netzbau, meist durch hohe Dosen hervorgerufen, werden im Bild dargestellt. Unverändert gefundene Proportionen werden nicht erwähnt.
1. Mezkalin
Mezkalinsulfat (der Firma Hoffmann-La Roche) wurde im Laufe von zwei Sommern in der Konzentration IO”2 in Zuckerwasser per os in einer durchschnittlichen Dosierung von 100r/Tier an insgesamt 56 Spinnen von Witt verfüttert. Die durchschnittliche Zeit bis zum Höhepunkt der Wirkung betrug 6 h. Die im folgenden geschilderten typischen Wirkungen wurden nidit jedesmal nach einer Applikation beobachtet, aber doch so häufig, daß der Mittelwert der ganzen Gruppe als von der Norm verschieden mit dem T-Test gesichert werden konnte. Es besteht hier eine auffallend große interindividuelle Streuung. Ferner besteht der Verdacht, daß einzelne Spinnen nach mehrmaliger Applikation von Mezkalin bleibende Netz-Veränderungen
zeigten. Die Zahl der Beobachtungen ist zu gering, um darüber définitive Aussagen zu machen.
Folgende drei Maßzahlen waren stark gesichert verändert:
1. die Winkel-Regelmäßigkeit war vermindert (stark gesichert),
2. die Klebfaden-Regelmäßigkeit war vermindert (stark gesichert),
3. die Spirale brach gegen das Netzzentrum zu entweder vorzeitig ab oder strebte in wenigen, großen Zügen der Nabe zu.
Abb. 4 zeigt ein typisches, unter der Wirkung von Mezkalin gebautes Netz, während Abb. 5 die Lage der Spirale im Netz graphisch auswertet. Das Verhältnis des mit Spiralfäden bespannten Teiles eines Radialfadens (schwarz) zum unbespannten Teil (weiß) wird hier verglichen, wobei die Gesamtlänge des Radialfadens von der Nabe bis zum Rahmen gleich 100°/o gesetzt wurde. Die Linie MW repräsentiert jeweils den Mittel-
wert der ganzen Gruppe. Es zeigt sich, im Gegensatz zum Haschisch-Netz, daß die Spirale außen, wo sie begonnen wurde, dem Rahmen eng anliegt, aber innen nicht zu Ende geführt worden ist; die freie Zone ist vergrößert. Ziehen wir die Experimente von Mayer [15] mit beschwerten Spinnen zur Deutung heran, so scheinen die Spinnen so gearbeitet zu haben, als ob sie zunehmend schwerer wurden.
2. Pervitin
l-Phenyl-2-methylaminopropanhydrochlorid (Pervitin, WZ) wurde von Witt [28] abends oder nachts in 26 Versuchen per os etwa 3Qy/Tier gegeben. Danach waren folgende Proportionen signifikant verändert:
1. Zunahme der Netzbau-Häufigkeit (was sich nur feststellen läßt, wenn die Versuche in einer Jahreszeit gemacht worden sind, in der die Netzbau-Häufigkeit relativ gering ist, z. B. im Herbst),
2. Verkleinerung der Fangflächen,
3. vermehrte Zahl übergroßer Sektoren pro Netz,
4. verminderte Winkel-Regelmäßigkeit,
5. verminderte Klebfaden-Regelmäßigkeit.
Von Wolff u. Hempel [34] wurden mit der gleichen Substanz in einem anderen Laboratorium 82 Ver-
6
suche mit Applikation per os und durch Injektion gemacht, deren Ergebnisse die Autoren in zwei Gruppen je nach Höhe der applizierten Dosis aufteilen. Die höhere Dosierung von 18 bis 33 y/Tier ergab gleiche Ergebnisse wie Witts Versuche, nur daß die Zunahme der Netzbau-Häufigkeit nicht nachweisbar war (s. Anmerkung oben). Die niedere Dosierung von weniger als 18 y/Tier gab folgende Veränderungen:
1. Vergrößerung der Fangfläche,
2. vermehrte Zahl übergroßer Sektoren pro Netz,
3. wahrscheinlich vermehrte Radienzahl,
4. verminderte Klebfaden-Regelmäßigkeit.
Eine statistische Auswertung der Ergebnisse ist leider nicht erfolgt. Ein typisches Pervitin-Netz stellt Abb. 6 dar; die graphische Darstellung der veränderten Proportionen, besonders derKleb-
faden- Abstände, wird am besten in den Originalarbeiten eingesehen. Die Versuche mit Applikation per os und per injectionem unterschieden sich grundsätzlich nicht.
Die Deutung für die charakteristisch „verzitterte“ Spirale sehen Wolff u.
Hempel in einer zentralen Erregung, die das Auftreten von „Flüchtigkeitsfehlern“ und Mangel an Präzision mit sich bringt; Witt kommt beim Vergleich verschiedener
Spirälveränderungen [30] zu einem ähnlichen Ergebnis, indem er ungestörte Orientierung beim Laufen mit gestörtem Fadenanheften annimmt.
3. Skopolamin Skopolamin wurde von Wolff u. Hempel [34] in 60 Versuchen in seiner Wirkung auf den Netzbau der Spinne in Dosierung von 5 bis 60 y/Tier, teils kumulierend an mehreren Tagen hintereinander, untersucht. Folgende Veränderungen wurden beobachtet:
1. Verkleinerung der Fangflächen,
2. verlängerte Netze,
3. Radienwinkel unregelmäßiger, hach hohen Dosen verzerrte Radien durch ungenügend angespannte Fäden,
4. Systematische Störungen im Verlauf der Klebspirale bis zum Auftreten von mehreren Zentren;
5. größere Variation der Nabenexzentrizität; die Fangfläche kann wie ein Tropfen der Nabe anhängen.
Abb. 7 zeigt den
unteren Teil eines Skopolamin-Netzes wie er nach niederer Dosierung von Wolff u. Hempel gefunden wurde. Die Verände-
rung wird als periodisch auftretende, zentrale Störung der Orientierung bei wahrscheinlich erhaltenen motorischen und sensorischen Funktionen gedeutet.
4. Coffein
Coffein wurde von Witt [28] in 23 Versuchen per os bis zu 100 y/Tier 8 h vor dem Netzbau gegeben.
Folgende Veränderungen konnten beobachtet werden:
1. mögliche Verkleinerung der Fangfläche (statistisch nicht gesichert),
2. relative Vergrößerung der waagerechten Netzachse (Länge/B reite),
3. vermehrte Zahl übergroßer Sektoren,
4. erhöhte Zahl nicht vom Rahmen zur Nabe durchlaufender Radien.
Nach hohen Dosen hielten die Netz-Veränderungen bis zum 3. Tag an, waren aber danach vollständig reversibel. Abb. 8 zeigt ein Netz, wie es ausnahmsweise nach hohen Dosen Coffein beobachtet wurde, wobei die
Spinne auch sehr viel langsamer baute. Während hier eine ganze Anzahl zum Netzbau nötiger Funktionen gestört sein müssen, ist immerhin der Netzbau-Trieb erhalten, und auch die Grundstruktur des Netzes (Nabe, Rahmen, Schlupfwinkel, Signalfaden), ist noch zu erkennen. Ob die unterbrochenen Radien auf Sekretionsstörungen oder auf nachträgliches Durchtrennen der Fäden durch die Spinne zurückzuführen sind, konnte nicht geklärt werden.
5. Strychnin
Strychnin, Strychnin-N-Oxyd basisch und strychninsaures Na (Movellan, WZ), die offenbar qualitativ gleich aber verschieden lang wirken, wurden von Wolff u. Hempel [34] in 91 Versuchen in einer Dosis von 10 bis 82 y/Tier per ös gegeben. Höhere Dosen, über 30 y Strychnin-N-Oxyd und über 40 y Mo-vellan/Tier, bewirkten:
1. Verminderung der Netzbau-Häufigkeit,
2. Verkleinerung der Fangflächen,
3. mehr „Kreisnetze“, die von den Autoren durch Einordnung in Netztypen bestimmt wurden (zur Kritik des Verfahrens siehe Witt [33]) mit weniger sekundären Rahmenfäden,
4. vielleicht mehr übergroße Sektoren,
5. größere Regelmäßigkeit in den Abständen (nicht gesichert) und Verminderung der Umkehrstellen der Klebspirale.
Die Bilder der „Kreisnetze“ werden am besten in der Originalarbeit angesehen. Die Verff. deuten die Veränderungen als eine mögliche Vermehrung der nervösen Kontrollen durch Reflexvermehrung (Schwel-lensenkung) beim Netzbau und glauben Hinweise für das Vorhandensein eines „spezialisierten sensorischen Apparates“ als Angriffspunkt für Strychnin zu sehen.
6. d-Lysergsäurediäthylamid d-Lysergsäurediäthylamid (LSD 25 der Sandoz AG) wurde in einer Dosis von 0,1 bis 0,3 y 13 Spinnen von Witt [29] per os gegeben, wobei sich folgende Netzveränderungen ergaben:
1. kleinere Fangflächen,
2. längere Netze in 88,7% der Fälle,
3. verminderte Winkel-Regelmäßigkeit (schwach gesichert)^
Eine niederere Dosis von 0,03 bis 0,05 y/Tier zeigte in 22 Versuchen mehr charakteristische Veränderungen:
1. Verminderung der Netzbau-Häufigkeit um 74%,
2. vergrößerte Fangflächen (nicht gesichert),
3. geringere Zahl übergroßer Sektoren,
4. Zunahme der Winkel-Regelmäßigkeit (stark gesichert),
7
5. Zunahme der Klebfaden-Regelmäßigkeit (stark gesichert),
Abb. 9 zeigt eines dieser so außerordentlich regelmäßig erscheinenden Netze nach niederen Dosen von LSD 25.
Abb. 9 zeigt eines dieser so außerordentlich regelmäßig erscheinenden Netze nach niederen Dosen von LSD 25.
Man versuchte, diese eigenartigen Netze damit zu deuten, daß die Spinne störende Einflüsse beim Netzbau vermindert wahrnimmt und nun reiner nach dem inneren Steuermechanismus baut, der eine Überquerung der Sektoren auf dem kürzesten Weg bedeutet. Einzelheiten hierzu siehe bei Witt [30].
7. Largactil Das Phenothiazin-Derivat Largactil (WZ, Spezia) wurde 19 und 10 h vor der Netzbauzeit in 51 Versuchen in 4 verschiedenen Dosen (1 bis 100 y/Tier) per os von Witt [32] an Spinnen verfüttert. Es zeigten sich:
Eine der Höhe der Dosis proportionale Verminderung des Netzbaues; die Tiere unterbrachen den Bau einen bis mehrere Tage vollständig.
Andere Proportionen wurden nicht verändert gefunden.
Die schematische Darstellung der Netzbauhäufigkeit nach Largactil zeigt Abb. 10; die Unterschiede der äußersten Werte konnten mit dem ^2Test gesichert werden. Wegen einer Ausnahme siehe Witt [32],
Der Versuch einer Deutung verlegt den Angriffspunkt des Largactil zum Unters chied von dem aller anderen untersuchten Substanzen an die Wurzel des Netzbau-Triebes, wo die Reaktionskette „Netzbau“ in Gang gesetzt wird. Wenn überhaupt ein Netz gebaut wird, so
scheint (mit einer Ausnahme) keine meßbare Störung darin zum Ausdruck zu kommen.
8. Benzopyran Benzopyran 122 (WZ) ein reines Syntheticum der Marihuana-Gruppe von charakteristischer Wirksamkeit im Hunde-Ataxie-Test [14] (die Wirkung ist also wohl der von Haschisch gleich zu setzen) wurde in einer inhomogenen 10°/oigen Lösung 13 Spinnen per os 7 bzw. 12,5 h vor dem Netzbau gegeben (Dosierung ungenau). Die Veränderungen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
1. kleinere Fangflächen (stark gesichert),
2. verminderte Winkel-Regelmäßigkeit (schwach gesichert),
3. relative Verbreiterung des freien Raumes zwischen Rahmen und äußerstem Klebfaden-Umgang (stark gesichert).
Ein solch typisches Haschisch-Netz ist in Abb. 11 gezeigt, die schematische Darstellung der Klebspiralen-Veränderung ersieht man aus Abb. 5.
Eine Deutung dieser Veränderungen, die immer nach Benzopyran 122 auftraten, aber sonst nie, kann nicht gegeben werden. Die Störung betrifft wahrscheinlich den Augenblick beim Netzbau, wo die Spinne nach Beendigung der Hilfsspirale am Rahmen sitzend sich für die Herstellung der Klebspirale umstellt.
9. Adrenochrom _
Adrenochrom 10 bis 40 y/Tier in ganz frisch zubereiteter Zuckerlösung wirkte auf 13 von 16 Spinnen tödlich. 4y/Tier per os, 6,5 h vor der Netzbauzeit gegeben, zeigte in 23 Versuchen folgende Netz-Veränderungen:
1. kleinere Fangflächen (stark gesichert),
2. Verminderung der Winkel-Regelmäßigkeit (schwach gesichert),
3. Vermehrung der Streuung der Naben-Symmetrie (stark gesichert).
Veränderung 3 war am folgenden Tag wieder zurückgegangen (stark gesichert), 1 und 2 blieben noch einen weiteren Tag lang erhalten. Abb. 12 zeigt ein typisches, durch Adrenochrom schwer verändertes Netz, wie es ausnahmsweise vorkommt. Im allgemeinen war die Spirale, im Gegensatz zu den Skopolamin-Netzen, nicht verändert. 11—13 h vor der Netzbauzeit appliziert, zeigten Adrenochrom-Lö-sungen keine Veränderungen am Netzbau (Witt [31]). Eine Deutung der Netz-Veränderungen konnte bisher nicht gegeben werden.
10. Nembutal
Aethyl – (1 – methyl – butyl) -barbitursäure (Nembutal, WZ, Abbot Laboratories) wurde in einer Dosis von 40 y/Tier per os an 34 Spinnen verfüttert. Nur wenn die Substanz 11—13 h vor der Netzbauzeit gegeben worden war, bewirkte sie folgende Veränderungen:
8
1. kleinere Fangflächen (stark gesichert),
2. längere Netze (stark gesichert),
3. unregelmäßigere Winkel (stark gesichert),
4. größere Streuung der Naben-Symmetrie (stark ge-sichert),
5. eine erhöhte ZahLübergroßer Sektoren (schwach gesichert) .
Daß 5. nur sdiwadi gesichert werden konnte, liegt daran, daß öfter ■■■■ mehrere übergroße Sektoren he-beneinander auftraten, die* dann definitionsgemäß nicht gezählt werden. Abb. 13 zeigt ein typisches Nem-butal-Netzi Das 1 vermehrte Auftreten übergroßer.
Sektoren und unregelmäßiger Win-kel’V^nMA schon nach Veronal t [22) I beobachtet. Dort wñjraén sie als vorzêitiges^ibbre-. chen des Radien-Ziehens gedeutet, was vielleicht auf – eln^&erminderte rriebenergie durch Schlaf mi ttelwi r-kung zurückgeführt werden . kann. In hohen Dosen unterdrük-ken diese Substan-zen den Netzbau vöjli’g.’ Interessant erscheint-diës Vor-stadium veränderten Netzbaues, verglichen ‘ mit Larganti! (s. 7.).
11. Äther
Äther, den Spinnen mehrere Stunden vor dem Netz-I bau durch Einatmung appliziert, unterdrückte diesen Vollständig (Sjhwarz [231h] läßt man die Spin-1 ne aber zuerst ihre I Radien bauen und I bringt sie dann in i Veine gesättigte I Äther-Atmosphäre, I so bricht sie, entwe-J der sofort öder ersi nach; einem Über-j gangisstadium moJ torischer -Unruhe,
Orientierungsstörrungen und Erre-I gung den Spiralbau ab. Oft wurde dal durch die Netzbauzeit erheblich verlängert, unddieSpinnd unterbrach das Fadenziehen durch Reiben der Extremi-
12. Stickoxydul Stickoxydul wirkte in Versuchen von Schwarz [23] prinzipiell ebenso wie Äther, nur daß das Reiben ‘ der Füße und die verlängerte Netzbauzeit hier nicht beobachtet werden konnten. Auch in den Abbildungen gleichen die Stickoxydul- den Äther-Netzen weitgehend, siehe Abb. 15. /’ ‘x
13. Kohlenoxyd Kohlenoxyd wurde den Spinnen einmal oder mehrere Male (6- bis lOmal- V in je 24 h Abstand)
^^Hin der Form vön ’ Leuchtgas 100% lö -min von E p e 1 – , -bäum Mp gegeben’. ^ I Tägliche Ausme^lïS [sung der Netee und- ‘ Nachbeobachtung der Spinüen’ über [.mehrere Wochfen^^jj [zbigreül keine er- v kennbaren .Verän- ^ [de rungejoS Dagegen ‘.¡¿’i [wurde/ direkt nach I der ÿeigiftüng durch Freßversuche ‘ • ■l Stadium gestör- ^ [ter Orientierung ge- i I fund.eta-, das sich r ^ [aben,®’.der ^JT-olge- ‘-Î [völlig zufückbilde¿?ji [te. Verf. fand kei-*¡ *í nén„ Anhaltspunkt Q^^Pür die Existenz ^i®^!cnronismeE^onl©uoxy0^vergiftung, sondern nür eine wiederholte akute Vergiftung bei Spinnen.
*ì$rEine tabellarische -Zusammenstellung’ der wirksamen Dosen bei Mensch und Spinne und der gefundenen Netz-Veränderungen nach den verschiedenen Substanzen findet sich bei Witt [33]. Sie ergibt, daß die Spinne (immer auf das Körpergewicht bezogen) höhere Dosen als der Mensch braucht, die vom ,30fachen, J|Làrguctil) bis -zum 15000fachen (Strychnin)! schwanken. Man kann daraus WbhB schließen, daß es sich bei den meisten Substanzen uni ganz verschiedene Wirkungen bei Mensch und Spinne handelt.
Beurteilung der Ergebnisse und Ausblick:
Eine Übersicht über die bisher mit dem Test gewonnenen Versuchsergebnisse zeigt, daß Spinnen auf eine große Anzahl, zentralnervös angreifender Substanzen in ihrem NetzbaU empfindlich und recht spezifisch reagieren. Die veränderten Netze können nicht nur in Photographien festgehalten werden, sondern ihre Abweichungen können an Zahlen ausgedrückt und mit statistischen Methoden ausgewertet werden. Damit schfeint eine Methode geschaffen, die es erlaubt, neue und unbekannte Substanzen vergleichend mit bekannten zu identifizieren: Diè Schilderung solcher Versuche mit neuen, synthetisierten Substanzen, wie sie verschiedene Male vergleichend durchgeführt worden sind, würde über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. Es hat sich aber dabei gezeigt, daß die Einführung der Spinnen-Methode in ein Industrielaboratorium zur Untersuchung einer bestimmten neuen Substanz nicht lohnt. Im allgemeinen bedarf es einiger Erfahrung und Übung im Umgang mit den Tieren, bis die Methode läuft.
Die Spinnen scheinen aber auch Aussichten zu haben, durch ihren Netzbau bei der Erforschung von Krankheiten zu helfen. So sind Versuche unternommen worden halluzinogene Substanzen im Urin Delirierender zu finden, indem Urinextrakte an Spinnen verfüttert wurden: bisher meines Wissens ohne Erfolg. Auch sonst scheint man die Toxine verschiedener Nerven-Krankheiten mit Hilfe der Spinnen zu suchen, und es ist mit dem Erscheinen einiger Publikationen
Danach trat (völlig reversible) Narkose ‘ein. Abb. 14 zeigt ein Netz, dessen Spirale unter Äther-Einfluß gebaut wurde. Der Autor glaubt aus diesen und ähnlichen Bildern schließen zu können, daß auch die wirbellose Spinne vor Eintritt der Narkose ein Exzitationsstadium zentralervöser Genese zeigt.
darüber in nächster Zeit zu rechnen. Solange hier keine Ergebnisse vorliegen, kann über die Brauchbarkeit der Methode für solche Zwecke nichts gesagt werden.
Es ist immer wieder erstaunlich, daß Spinnen auf eine so große Anzahl der an den differenziertesten Zentren des Menschen angreifenden Substanzen überhaupt reagieren. Man glaubte daraus schließen zu können, daß vielleicht Ähnlichkeiten zwischen den Zentralnervensystemen von Mensch und Spinne bestehen. Anatomisch zeigt sich eine gewisse Parallele zwischen der weitgehenden Zentralisation des Nervensystems der Wirbellosen bei der Spinne und desjenigen der Wirbeltiere beim Menschen. Damit endet aber wohl die Parallele, da auch chemisch zu wenig über beide Zentralnervensysteme bekannt ist, um genauere Angaben zu machen. Es sdieint mir nidit so sehr, daß Spinnen empfindlicher als andere Tiere auf die untersuditen Substanzen reagieren (wie sdion eine Betrachtung der für Spinnen relativ hohen wirksamen Dosen lehrt), sondern daß man bei Spinnen die pathologische Reaktion besonders leicht entdeckt, da sie täglich einen so genauen und ausführlichen Bericht über den Funktionszustand ihres Zentralnervensystems im Netzbau geben. Dieser Netzbau wäre natürlich nicht ohne ein hodiorganisiertes, zu feinster Koordination befähigtes Nervensystem möglich, aber er ist nicht unmittelbar mit einer menschlichen Leistung vergleichbar. Nur dadurch, daß die Spinne in einer Tastwelt (Uexkuell [25]) lebt, wird uns ein so weitgehender Einblick in ihre Funktionstüchtigkeit gewährt. Die vorwiegend >p tische Umwelt des Menschen, deren Lichter, Schatten und Farben nur selten zur bleibenden Darstellung gelangen, müßte sich weitgehende Verzerrungen
nd Umdeutungen gefallen lassen, ehe sie mit derjenigen der Spinne verglichen werden könnte. Ein solcher Vergleich aber erscheint, wenn überhaupt möglich und nötig, verfrüht.
Zusammenf assung :
Es wird über den Netzbau der Spinne Zilla-x-notata CI. als Grundlage für einen pharmakologischen Test berichtet. Der Fang der Spinne, ihre vorwiegend auf Tasten eingestellte Sinneswelt, das Netz als Tast- und Fang-Organ, die Auslösung des Netzbaues, die Applikation von Medikamenten per os, durch Injektion und Inhalation, die Zucht der Tiere und der Ablauf des Netzbaues werden kurz geschildert. Das fertige Netz wird „geräuchert“, photographiert und in seinen Proportionen vermessen, und damit wird ein Verhaltensvorgang meßbar gemacht.
Netzbau-Veränderungen, nach niederen Dosen als veränderte Proportionen, nach hohen Dosen als weitgehend verzerrte Netze, werden nach Mezkalin, 1-Phe-nyl-2-methylaminopropanhydrochlorid (Pervitin, WZ), Skopolamin, Coffein, Strychnin, d-Lysergsäurediäthyl-amid, einem Phenothiazin-Derivat (Largactil, WZ), einem Syntheticum der Marihuana-Gruppe (Benzopyran 122, WZ), Adrenochrom, Aethyl-(l-methyl-butyl)-barbitur-säure (Nembutal, WZ), Äther, Stickoxydul und ein-bzw. mehrmaliger Applikation von Kohlenoxyd beschrieben.
Der Test ist brauchbar für Differenzierung und Vergleich verschiedener, zentralnervös angreifender Substanzen. Für eine routinemäßige Verwendung scheint seine Durchführung zu schwierig. Mögliche Anwendungen werden erwähnt; die Sinnlosigkeit einer direkten Übertragung der Spinnen-Reaktionen auf den Menschen wird erörtert.
Ansdir. d. V er fDept, of Pharmacology, State University of Nero York at Syracuse, 766 Irving Ave., Syracuse, N.Y., USA
Summary:
The Web Construction of Spiders as a Test Method for Substances with Central Nervous Action
The web produced by the spider Zilla-x~noiata Cl. is used as the basis of a pharmacological test method. After a short description of the method of capture, the following features are discussed:
the environmental pattern of the animal is obtained mainly by tactile impressions;
the web is both a tactile organ and a means of catching prey;
the factors which induce web spinning are described; description of the application of drugs per os, by injection, and by inhalation;
description of the methods of breeding; description of the various stages of web construction.
The effects of the following drugs on the spider’s web are described: mescaline, l-phenyl-2-methylaminopro-panehydrochloride (trade name: Pervitin), scopolamine, caffeine, strychnine, d-lysergic acid diethylamide, a phe-nothiazine derivate (trade name: Largactil), a synthetic drug of the marihuana type (trade name: Benzopyran 122), adrenochrome, ethyl-(1-methylbutyl)-barbituric acid (trade name: Nembutal), ether, nitrous oxide, and carbon monoxide (single or repeated application).
After small doses, changes in the proportions of the web are observed, large doses cause marked distortions.
This test method makes it possible to discern and compare various substances with central nervous action. It is, however, too complicated for routine use. Mention is made of possible future uses for this test method. It is, however, futile to draw direct inferences from the reactions of spiders to the effect in human beings.
Verantwortlich für die Redaktion: Dr. W. Saenger; Verlag Editio Cantor, Aulendorf i. Württ. Tel.: 56 Druck: Vereinigte Buchdruckereien A. Sandmaier & Sohn, Buchau a. F.
Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift erscheint monatlich einmal. Sie kann vom Verlag oder durch eine Buchhandlung bezogen werden. Der Bezugspreis beträgt im Abonnement pro Quartal (3 Hefte) 10,50 DM zuzügl. Versandkosten. Das Einzelheft kostet 4,— DM zuziigl. Versandkosten. Kostenlose Probehefte liefert der Verlag auf Anforderung. Auslandsabonnements errechnen sich pro Jahr einschl. Versand auf der Basis von 12 $.