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Separatum
EXPERIENTIA
I
Vol. V/4, 1949 – p. 161
Die Wirkung von Substanzen auf den Netzbau
der Spinnen
Dank den Untersuchungen verschiedener Autoren in den beiden letzten Jahrzehnten sind unsere Kenntnisse vom normalen Verhalten der Spinnen beim Bau des Radnetzes und von der Struktur dieses Netztypus so weit fortgeschritten, daß es aussichtsreich erschien, die in diesen hochkomplexen Instinktbewegungen zusammenwirkenden Einzelfunktionen von der nervenphysio-logischen Seite her experimentell zu analysieren. Da direkte operative Eingriffe in das Zentralnervensystem im Falle der Spinnen mit großen technischen Schwierigkeiten verbunden sind, wurden Beeinflussungen mittels neurotroper Substanzen versucht (Peters). Solche Untersuchungen versprachen zugleich auch allgemeinere Beiträge zur vergleichenden Pharmakologie des Nervensystems zu liefern (Witt). Als Versuchstier diente die Radnetzspinne Zilla litterata. Auf Grund der Tatsache, daß die Spinnen Wasser begierig aufzusaugen pflegen, gelang es, eine einfache quantitative Methode für die Dosierung auszuarbeiten, wobei die Beobachtung wertvoll war, daß man Zucker als Geschmackscorrigens verwenden kann. Untersucht wurden bis jetzt Pervitin, Cardiazol, Morphium, Coffein, Thyroxin, Strychnin und verwandte Verbindungen, Alkohol, Chloralhydrat und Veronal. Die verschiedenen untersuchten Substanzen unterschieden sich voneinander in ihrer Wirkung auf den Netzbau. Damit wurde ein pharmakologischer Test gefunden, der es gestattet, die beim Menschen teilweise nur subjektiv empfundenen Unterschiede in der Wirkung der Stoffe objektiv aufzuzeichnen und zu differenzieren. Somit besteht von der zoologischen Seite her die Hoffnung, die am Netzbau beteiligten Grundfunktionen
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weiter aufzuklären. Als Beispiel für diese Mitteilung wählen wir das Pervitin. Diese Substanz stört zunächst die Regelmäßigkeit in der Anordnung der Radialfäden. Besonders auffällig ist die Unregelmäßigkeit der konzentrischen Klebfäden. Die Gesetzmäßigkeit in der Anordnung derselben im normalen Netz wurde von Peters1 beschrieben. Die in der Abb. 2 zu beobach-
Abb.l. Ausschnitt aus dem normalen Netz einer Züla litterata.
tenden Unregelmäßigkeiten fallen weit außerhalb der normalen Schwankungsbreite. Es wurde 10 verschiedenen Zillaindividuen 36mal Pervitin gegeben. Dabei wurde 32mal der charakteristische Effekt beobachtet. Zum Vergleich dienten die Normalnetze derselben Tiere vor und nach den Versuchen.
Gestört sind: 1. die Regelmäßigkeit der von der Peripherie nach dem Zentrum hin fortschreitenden
1 H. M. Peters, Z. Naturforsch. 2b, 227 (1947).
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hm
Fadenabstände, 2. die Regelmäßigkeit ihres Kurvenverlaufes und 3. finden sich zahlreiche Verklebungen. Die beigefügten Abbildungen zeigen eindrucksvoll die Unterschiede.
Die Beobachtung während des Netzbaues deutet darauf hin, daß die Störung nicht sosehr in einer Beein-
Abb. 2. Ausschnitt aus einem Netz des gleichen Tieres nach Verabreichung eines Tropfens wäßriger Pervitinlösung 1:100 (ca. 0,075mg), etwa 6 Stunden vor dem Netzbau.
trächtigung der Motorik als vielmehr im Sensorischen zu suchen ist. Die Klebfäden werden von außen nach innen in Rundgängen gezogen. Dabei bestimmt die Spinne vor der Anheftung von neuen Fäden die Abstände durch Tasten mit einem Bein nach dem jeweils letzten Umgang. Nach Pervitin scheint die Kontrolle an den bereits hergestellten Fäden stark herabgemindert. Wieweit überhaupt noch Tastreize in die Motorik der Spinne ein-
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greifen, versuchen wir mit Hilfe der Filmanalyse zu klären.
H. M. Peters und P. N. Witt
Zoologisches Institut und Pharmakologisches Institut der Universität Tübingen, den 26. November 1948.
Summary
The cobweb of geometrical spiders enables us to examine the effect of substances on instinct movements of animals. It seems possible to separate the different fundamental functions co-operating in the production of the cobweb by experiment. The effect of Pervitin, mentioned in this report, is characterized by a considerable disturbance of the regular arrangement of the concentric sticky threads.
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