Images Collection
Read OCR Digitized Article Text
NOTE: This plain text article interpretation has been digitally created by OCR software to estimate the article text, to help both users and search engines find relevant article content. To read the actual article text, view or download the PDF above.
NATURWISSENSCHAFTLICHE RUNDSCHAU
SONDERDRUCK
Redaktion Hans Rotta, Stuttgart, und Roswitha Schmid, München
nj^^^^Die NATUR^I^SENSSHAFTMGHE ©HAl^ërseJii-etM^feionatlich. Be’lf^ingfen nim^i j^e Buchhatel^’i des In- und Auslandes, ^i©
Post oder der Verlang entgegen; In den^Lände^fn B||®.en, Dänemark, Gro-ßÉntannien, -ii^en, Luxemburg, Niederlande,K^^vegen, Bwtugal, £ Schweden, ‘jjdeg’ SéhweiZjiundi» der ‘^^Ékarl’&tadt iät det B’ezugr.dmm%^e ^’RMu.èHenfalls”mög-iigh, Bez’u‘0$Stè: jährlich DMrj-82§g. ‘ Einzelheit;» §M 8.Q0, Bfo^ëßitrfer * *B ezuus d sei rfur /3M 1 t g.Tie defljSjjde^r’ Gesnll^i^t Brutsch er i” Äatur^^pÄj’ hhd Ärzt’^^W4®^tU’, Alsretente®,, Referen-
Probeheft: kostenlos durch den Verlag.
* ^i%^sdjaftl|Äe Verlagk§©f e 1 J’s eh a f t m. b. H., Birken^i#straße 44, ‘Fostfach^O, 7000 Stuttgart 1.
NATURWISSENSCHAFTLICHE
Spinnennetze: Plan und Baukunst
Joseph Westley Burgess und Peter N. Witt, Raleigh, USA
„Alle Dinge in der Natur haben eine Gestalt“, sagt Sullivan, „in anderen Worten eine Form, eine äußere Erscheinung, die uns wissen läßt, was sie sind und die sie von uns und untereinander unterscheidet *. Cfä „Sei es der schwungvolle Adler im Fluge oder die offene Apfelblüte, das schuftende Arbeitsroß, der wohlgemute Schwan, die sich ausbreitende Eiche, treibende Wolken und übeH allem die kreisende Sonne; Form folgt immer der Funktion, und das ist das Gesetz” [llH|
Die Vereinigung von Denkungsweisen aus verschiedenen Fachbereichen wie Architektur und Technik unit biologischem und ethologischem Gedankengut kann helfen, die Ursachen für viele der Verschie-Jdenheiten In Spinnennetzen aufziifclären. Und die “An>afyse von Spinnennetzen kann uns über die optimalen Formen für die Konstruktion von Gebäuden belehren.
Wenn ein Architekt* einBlâus plant, muß er die verschiedensten Ansprüch0|berücksichtigen. Einmal wird die Lage die Struktur belmp&sen; zum Beispiel können Umw®«dingungen einen geschlossenen oder offenen Entwurf notwendig machen. Zugleich rb^pfat das Gebäude einen unabtrennbaren Teil seiner ffi&igebungl. und di^MlmaebmnP kann so weit verändert Werden, daß zukünftige Gebäude in der Nähe entsprechend angepa»l|t werden müssen. Es bedeutet auch einen großen Unterschied, ob Gebäude für langen GSrauch beabsichtigt* sind, oder ob sie nach wenigen Tagen «der abgebauBwerden sollen.
Sp^samkeii’Hpf Maj^^Mund Arbeitskraft beeinflussen die Planung $ür Mn Gebäude, und das vorhanden^ Matdföjal entscheidet übemiie Eiögliche WeifèwBtoie und Form der Räume. Menschliche Bauwerke zeigen eine weite Variation in Größe: Diese hängt davon ab, ob sier:von einer Person, einer Familie oder von einer großen Anzahl von Menschen bewohnt werden sollen. Wenn sie hauptsächlich als Unterkunft dienen sollen, muß ihre Form anders sgin als wenn sie Büros und Produktionssiffett^n behebe! gen sèMen. Getrennte Baueinheiten werden dann durch TJtansportnetze von Verbindungsstraßen und Eisenbahnen zusammengefügt.
SpinnenÖleben wie Menschen in selbstgebauten Strukturen. Selbst dem oberflächlichen Beobachter fällt die große Verschiedenheit in Spinnennetzen auf. Nahe dem Boden bemerkt man tuchförmige Netze oder Labyrinthe aus dicht verflochtenen Seidenfäden ; im hohen Gras und in Büschen befinden sich kunstvoller gebaute, dreidimensionale Strukturen; und oben in den Bäumen sind oft die wunderschönen, geometrischen Radnetze zu erkennen. Einige Netze bilden die Wohnung eines einzelnen Tieres, andere stellen den Zufluchtsort für eine Mutter mit ihren Jungen dar, und wieder andere bilden ausgedehnte Gemeinschaftsunterkünfte für Hunderte von Individuen.
NaturwlssenschaftHcH© Rundschau | 31. JahrgB Heft 7 ^1978
Viele verschiedene Funktionen werden Spinnennetzen zugeschrieben: Einige der bekannteren sind Kommunikationsnetzwerk, Verbindungsweg, seidene Falle, Schutzstruktur und Substrat für die Paarung. In einigen Fällen haben Versuche die Funktion eines Strukturteiles aufgeklärt, in anderen können wir die Funktion nur erraten. In speziellen Netzen ist der klebrige Fangfaden säuberlich vom trockenen Gerüstfaden getrennt. Signalfäden verlaufen oft ohne Unterbrechung durch offene Netzsektören, um die ungedämpfte Übertragung von Informationen zu ermöglichen.
Die Resonnanzeigenschaften von Netzen filtern unzweckmäßige Signale aus, und besondere Netzmuster dienen der Informationsausbreitung in viele Richtungen, so daß zahlreiche Tiere für den Angriff auf sehr große Beute zusammengerufen werden können. Radnetze und Fadengewirre können zusammengebaut werden, so da|leine zusammengesetzte, zweckmäßige Unterkunft für eine kleine Gruppe von Spinnen entsteht. Breite, undurchsichtige Seidenbändegj beschützen, die Baumeister vor den Blicken feindlicher Räuber. Und das gemeinschaftliche Fadengewirr, das einige Spinnenbabies bauen, schafft eine vorteilhafteMmgebung für ihr Heranwachsen.
Wir postulieren, daß jedes Strukturdetail eines Netzes letzten Endes als Teil eines üblflebensplaiies des Baumeisters verstanden werden kann, ein Plan, der ihmJÄrlaubt, sich in seiner besonderen Umgebung zu behaupten. Ferner glauben wir, daß der Vergleich zwischen Spinnen und menschlicher Baukunst (Abb. 1) uns glauben wird, Grundeigenschaften des Bauplanes zu identifizieren, die in den beiden sonst so verschiedenen Gruppen von Lebewesen ähnlichen Zwek-ken dienen, und daß dadurch die Weisen aufgezeigt werden können, in denen beide Lebewesen ihre Umgebung verändern.
|||fjgsjph Burgess (geb. 5. März. »1<9$2)’ ist Doktorand an der
jffbrth Catalina StalHfflnV®^tty und arbeitet in Witts Laboratorium über s oziale >Spinnem^a
Prof. Dr. med. Pet^r-N- Wit^fgeb. 20. Oktober* 1918) ist Direktor der Mental Health Resigarch Seefipn^ des North Carolina Department oPlHuman ResouijcSs Professor für Pharmakologie an der UniylirsM$j©f North Carolina und Professor für Zoologie an der North’ #aLF©iirtâ State University. 1956 veröffentlichte er das Buch „Die Wirkung vön Substanzen auf den Netzbau der Spinne als biologischer Test” und 1968 „A Spider’s Web”, beide im Sprin-ger-^rläg. B D-fpf VoWiecrende Beitrag basiert auf einer Publikation in englischer Spräche: Spider Webs: Design and Engineer-.1 Science Reviews 1, 322 (1976). — Die ilahken R. Daniels, M. Scarboro, E, H. Williams, C. F. Reed, R. Jackson und der National Science Foundation für Unterstützung und Hilfe.
J. Wesley Burgess, Peter N. Witt, M. D., N. C. Division oi Mental Health, Research Section, Box 7532, Raleigh, N. C. 27611/USA.
269
Westley, Spinnennetze: Plan und Baukunst
Abb.,1. Auf diesem holländischen Stich; aus dem 16. oder f|t Jahrhundert sieht man eine Gruppe von Männern bei der D^g ku&übn eines Stadfplahes, wäMl” sie ein Spinnennetz betrachten. Die symmetrische RadstruHr des Netzes kann man in ^el’eng Stadtplänen wiederfinden, wie zum Beispiel in dem;* des Blace de TEtoile in Paris oder dem Platz in Karlsruhe, wo die Hauptstraßen’ vorn zentrpi gelegenen Schloß des Fürsten] ausstrahlen. Solche Stadtpläne ertauben der Regierung, fljl Bürger difienpm Zentrum aufg-estellMe Kanonen zu^fentro Hie reff, ähnlich der KontroB. *die e|n;è Sp«e im ^Netzzent|ü;m durch vibrierende Radiert ausülf^^
Der Bauplatz
[20], indem sie einfach Aminosäuren in zweckmäßigster Weise in den Körper hinein- und wieder herausbefördern.
Aus all solchen Gründen betrachten wir Netz und Spinne (und den Plan) als ein zusammengehöriges System. r-T)ie, Netz-Spinnen-Einheit kann als Ganzes übeilTeben; sie bildet einen Teil des allgemeinen Austauschsystems von Energie und Baustoffen, was wiederum das StudienobJ^pdes fpologen darstellt. Besondere Produkte können innerhalb des Komplexes übertragen werden, wie zum Beispiel das Baumaterial desÄfétzes, das ausgeschieden und wieder gefressen wird.
Bei der Betrachtung des Menschen erscheint uns oft das individuÜOT als in sich ruhende Einheit. Tatsächlich sind Menschen nicht autonom, sondern bilden mit ihren OrganisÉÉiönen und Unterkunftsstrukturen ein ganzes System, iii d’Ä kein. Till entbehrlich ist. Wie vollständig ist ein einzelner Mensch tatsächlich; wenn wir ihn von lliÉen Mitmenschen und von seinem? Heimatlande isolieren? In ähnlicher Weise kann ein Bauernhof zum Beispiel nicht, funktionieren, Wënii der Bauer, seine Familie odef^das Vieh abwesend sind. Vergleichsweise’ist es nutzlo^lfiber eine Spinne ohne ihr Netz oder über dasBÄz ohne Spinne zu diskutieren.
Die beinahe blinde Spinne ist ohne.ihr Netz hilflos, unfähig, Beute zu fangen oder’ diese zu erkennen, ohne daß Vibrationssignale übertragen werden [2]; und die hakenbewehrten Füße, die dem Hängen am seidenen Faden angepaßt sind, rutschen auf glatten Oberflächen aus. Umgekehrt kann ein leeres Netz weder Beute fangen noch festhalten, und es verfällt in kurzer Zeit. Es gibt sogar noch ein direkteres Band zwischen Spinne und Netz: Seide wird vom Körper ausgeschieden, und einige Arten essen die Seide nach einer Weile wieder auf, so daß sie ein Teil der Körpersubstanz wird. Radnetzspinnen fressen tatsächlich ihre Netze regelmäßig und sondern 95°/o des gleichen Materials am nächsten Tag wieder als Seide ab
Abb. 2. Das Baugelände, wie es durch den Netz-Spinnén-Kom-plex von Araneus diadematus definiert wird. — A: Netzraum. — B: Raüm Ipßérhalb des Netzbereichesl^M’MN‘des Netz-Spin-nen-Komplexes: 1: Strukturelemente der Umgebung,, die von der Natur zur Baustelle beigetragen werden/, sie tragen potentielle ijuB kinetische Energie jzifim Komplex bei. — É: Pufferzpn#, die den Austausch mit dem Außennetzraum abfedert und filtjW — 3: Netzaufhängung; ein langfristiger’Str’öijkturteiI, der Stoff-wechselerieirgie speichern kann. — 4: Eigentl icherSpin nen rau m, wo diijs SpiBe lebt Äd wo Stoffwechselenergie aufbewahrt werden kan n;ständiger Materialverlust vom Körper. — 5: Das èigentliché Netz,/kurzfristiger Tjejil der Struktur, depStoffwech-selenergie aufbewahrèn kann. — 6: Aufbewahrte Beute, Speicher von Stoffwechselenergie; teilweiser Verlust durch Abbau. — 7: Bëutequelle, die Stoffwechsel-Bnd kinetische Energie ein-bringt, Substanz beisteuert. — 8: Weitere Umgebung, Quelle von Material- ft. B. Wasser-) Nachschub, Wärmeenergie, Kühlung, kinetischer Energie (Wind) und Bereich verschiedener anderer Einnahmen und V^fluste.
An der Grenze des Spinnen-plüs-Netz-Ganzen findet ein Austausch mit der Umgebung statt, wie zum Beispiel die Einnahme von Nahrung und Sauerstoff und die Ausscheidung von Kohlenoxyd und Kot (Abtei»: 2). Eine solche Netz-Spinnen-Einheit kann man wieder mit einem Bauernhof vergleichen, auf dem Untereinheiten wie Weide, Kühe, Bauer zusammen funktionieren. Hier kann auch Austausch stattfinden, wenn zum Beispiel der Bauer die Kühe melkt oder Mist auf der Weide verteilt. Mit der weiteren Um-
270
Naturwissenschaftliche Rundschau | âl.Jahrg. | Heft? | 1978
Westley, Spinnennetze: Plan und Baukunst
gebung tritt der Bauer in Verbindung, wenn er Heu kauft oder Milch verkauft. Tatsächlich sind wir mit vielen solchen Systemen vertraut.
Eine Stadt für Menschen gebaut stellt öffentliche Dienste zur Verfügung: Müllabfuhr und Feuerwehr; auch liefert sie die notwendige Elektrizität. Der Austausch von Energie und Materialien findet innerhalb des Bürger-Stadt-Komplexes statt. Für Nahrungsmittel und Telefon hingegen ist eine Stadt vom Aus-* tausch mit Anderen außerhalb ihrer Grenzen abhängig. Wenn wir die Funktionen einer Stadt in eine einzige riesige architektonische Struktur zu integrieren versuchen, wie Paolo Solaris es vorschlägt, schaffen wir etwas, was einer Spinnenkolonie auffallend ähnlich sieht. Aber selbst innerhalb eines solchen Systems gibt es keine unabhängigen Einheiten. Feuerwehr, Feuer, Löschwagen, Gebäude, Nahrung und Feuerwehrleute formen voneinander abhängige Teile eines’ Komplexes, der sich erfolgreich erhält und seine Teile mit der Zeit aus wechselt,
Beide, Netz-plüs-Spinne und Land-plüs-Stadt, müssten nicht nur in ihren TeÄn Ipollständig sein; Ile* könneitaiur an einer günstigen Stelle reibungslos funktionieren; es gibt einen richtigen Standort. Wenn Ökologen über „Ortswahl” oder „Ortsnutzung” bei Spinnen und anderen Tieren sprechen, denken sie im allgemeinen an den Oft als eine Quelle materiellen Nachschubs. Wir im Gegensatz Jiehen es vor, |l|n weiteres Spektrum von Austausch zwischen einem Organismus und seiner Umgebung in Betracht zu ziehen (Abb. 2).
Dies erlaubt es, Schwierigkeiten bei der Diskussion des Netz-Spinnen-Komplexes zu vermeiden, denn Spinnen können ihren Haushalt buchstäblich in der Luft begründen. G. C. Argon Beordert als einen Begriff für Entwürfe, daß ,/durch Verbindung einer Anzahl von Punkten im Raum mit ununterbrochenen Strlhgen das Objekt einen Platz beansprucht und seine Existenz im freien Raum schafft”. Vom Standpunkt des Bauplanes ist alles das, was wir; in Netzen untersuchen, ein Ergebnis ihrer Schaffung durch die Beanspruchung eines Platzes, und dies steht in keiner Beziehung mehr zu dem ursprünglich unbenutzten Raume, außer dadurch, daß der Raum die Grundlage bildet, auf der ein neües Objekt geschaffen wird: das Netz. Der Grund dafür ist, daß alle Anforderungen, die jeder Spinnen-Netz-Komplex an die Lage stellt, ob strukturell (starke Äste, eng zusammenliegende Stützen oder weite Räume zwischen Blättern) oder biologisch (Regenwasser, Sonnenschein, Beutevorrat), erst realisiert werden, nachdem die Struktur selber errichtet ist.
Im Zusammenhang damit wird der erste Schritt in der Netzbaustrategie die unmittelbare Umgebung gleich verändern. Andere Tierarten mögen fürs überleben auf physiologische oder morphologische An-
Naturwissenschaftliche Rundschau | 31. JahrgfflM Heft 7 | 1978
passungen ihres Körpers angewiesen sein*, Spinne und Mensch passen sich dagegen hauptsächlich dadurch an, daß sie nicht den Körper, sondern ihre Umgebung verändern. Die Veränderung der Umgebung kann durch aktive Suche der Spinne geschehen [26, 7] oder dadurch, daß natürliche Auslese auf eine große Zahl mehr oder wenige zufällig verteilter Nachkommenschaft einwirkt. Ein Araneus diadema-tus-Weibchen kann bis zu 1000 Junge hervorbringen, und die wenigen, die davon das Erwachsensein ergeben, sitzen in voraussagbaren Stellen im Laub. Es ist möglich, daß sie solche Stellen aktiv aufgesucht haben-, oder -sie, haben sich wahllos verteilt, und nur diejenigen, die eine günstige Position gefunden haben, überlebten. Die Verteilungsmethode ist jedenfalls unwichtig für unsere Überlegungen, denn das Resultat ist das gleiche.
Die Radnetze von Araneus diadematus sind hauptsächlich in Bäumen und Büschen zu finden, und das gleiche gilt für die Tuchnetze von Mallos gregalis [6], während Cyrtophora-Netze bis zu 200 cm vom Boden auf Opuntien und Agaven befestigt sind [29]. Metepeira-Netze befinden sich speziell in blattlosen, offenen Räumen innerhalb eines Busches oder Baumes [17]. Wo auch immer der Standort oder wie er-auch gewählt wird, das Endresultat ist für jede Tierart, die Trennung zwischen Netz und netzfreiem Raum. J|lan kann sich die Welt aus verschiedenen Standorten bes||tiend vorstellen, wobei alle Wirtspflanzen, Höhen und Lagen ausgenützt sind* so daß jeweils Verschiedene Arten nebeneinander leben. So sieht es tatsächlich in der Natur aus: Elegant ineinander verzahnte Systeme ergänzen einander, so daß alle Nischen ausgefüllt sind und jede Tierart ihre Scheibe lies biologischen Kuchens abbekommt. Man kann einen Vergleich mit der Aussicht eines Flugzeugpassagiers auf die Erde hinunter ziehen: Die Landschaft erscheint säuberlich in Höfe, Städte und Wälder unterteilt, wobei Straßen die verschiedenen Komponenten vereinigen. Solche Parallelen werden mit zunehmender Häufigkeit erscheinen, wenn wir das Gefüge der Spinne mehr im Detail betrachten.
Das Netz der Spinne
Bestandteile. In dieser Übersicht werden wir die folgenden Bezeichnungen für Netzteile benutzen: Das geometrische Radnetz bezeichnet eine zweidimensionale Speichenstruktur. Es besteht aus Radien, die von einer Nabe ausstrahlen; die Radien werden von Spiralumgängen überquert, und sie enden in der Peripherie an einem vieleckigen Rahmen. Die Fläche, die von der Spirale bedeckt ist, ist oft mehr elliptisch als rund, und die Nabe liegt meistens
271
Westley, Spinnennetze: Plan und Baukunst
nicht genau im Zentrum. Alle uns bekannten Radnetze sind nur für kurzdauernden Gebrauch gebaut, und sie werden nach ein paar Tagen entweder fepa-riert oder neu gebaut. Die Bauzeit ist kurÄSie beträgt eine bis wenige Stunden. Zwei verschiedene Vorgehen sind für den Bau des Radnetzes beschrieben worden:
Beim senkrechten Netz dés Araneus-Typs werden alle oder beinahe alle Radien zuerst gebaut, wobei die Mehrzahl von der®abe zum Rahmen durchläuft; danach wird die Spirale quer über die vollendete Radienstruktur von außen nach innen gelegt (Abb, 3). Unter dem MikrofÉop sehen die meisten Kreuzungsstellen der Fäden wie untrennbar zusammengeschmolzene Verbindungen aus. Die Maschen des senkrechten Radnetzes sind rechteckig In den Ara-neusnetzen sind die Spiralen von Klebtropfen bedeckt, während Radien aus trockener Seide bestehen [33].
Im Cyrtophoranetz, das eine zusammengesetzte Struktur besitz^ ist das horizontale Rad nur einer von mehreren Bestandteilen. Beim Bau des Radel werden zuerst nur ein paar Radien (10 bis 20) vefp spannt, und zusätzliche Radien entstehen während des Spiralbaues, der von innen nach außen erfolgt;-am Rahmen kann man am Ende 300 bis 500 Radien zählen. Kullmann [12] erläutert die | Konstruktionsfolge in besonderi kftfer Weise. Maschen in diesen Netzen sind sechseckig, da RadienHnd Spiralfäden eine kurze Strecke lang zusammen verlaufen (Abb. 4 E).
Das Tuchnetz ist ein, zw«Pimensionales Bauwerk, das keine Symmetrie erkennen läßt. Es kann flach liegen oder schüsselförmig ^gebogen .sein und besteht aus langen Fäden, die häufig unbefestigt einander -kreuzen. Das Tuch kann ovale Löcher érilhâlten, deren Ränder durch extra Fäden^er^tSkt sind; abh^j sonst ist das Gebilde gleichföBtg ohne deutliche Unterteilungen. Alle uns bekannten Tu<Sj|iize sind für langdauernden Gebrauch bestimmt, und sie werden periodisch über längere Zeitspannen hin erneuert.
Das Raumnetz ist dreidimensional und kann entweder allein. oder in Kombination mit einem Rad oder Tuch Vorkommen. Raumnetze zeigen keine klar abgegrenzten Struktureinzelheiten; aber während des Baues wird viel Sorgfalt darauf verwandt, die Spannung in allen Richtungen gleichmäßig zu verteil len [10]. Raumnetze zeigen gewebte Teile, in denen kurze Fadenstücke in Y-Strukturen zusammengeschmolzen sind; in anderen Teilen der Raumnetze finden wir weitoffene Lücken, die nur von wenigen Seidenfäden durchkreuzt werden. Im allgemeinen findet der Bau von Raumnetzen über viele Tage hin statt; das gleiche Netz wird wochen- und monatelang benutzt, manchmal sogar während der ganzen Lebenszeit der Baumeister. Viele Raumnetze formen
272
die Grundlage für das Gemeinschaftsleben der Bewohner und dienen dem gemeinsamen Beutefang.
Ein oder mehrere der eben beschriebenen Typen erscheinen in jedem der vier Netze, die wir zur Besprechung ausgewählt haben, und in den meisten anderen bekannten Spinnennetzen. Es sollen hier nicht die weitverbreiteten, ausschließlich tuchförmigen Netze der Lyniphiiden diskutiert werden, die bei Betrachtung einer taubedeckten Wiese so stark auffallen, üli^ wir lassen éÄä Beispiel auch das „Einfadennetz “aus, das von der Bolaspinne in dauernder Bewegung gehalten wird.
Beispiele verschiedener Netze
Wir werden 4 Netztypen betrachten: Das Araneus-netz (Abb. 3) ist das Vorbild für alle Netze derjenigen Spinnenarten, die alleinstehende, senkrechte Radnetze bauen. All diese Netze sind geringe Varia-
Abb. 3. Dieses geometrische Radnetz eines erwachsenen Weibchens von Araneus diadematus (Kreuzspinne) wurde in einem Rahmen im Laboratorium in ungefähr 30 min gebaut. Die Erbauerin sitzt auf der Nabe und hält mit Ihren 8 Beinen die Radien straff. Die senkechten Fäden im Maßstaboin der linken oberen Ecke waren ursprünglich 20 mm voneinander entfernt und hängen senkrecht, um die Richtung der Schwerkraft anzuzeigen; dies ist ein typisches senkrechtes Radnetz. Ein kleiner Holzwinkel war vorsätzlich in der unteren rechten Ecke des Rahmens angebracht worden: Die Spinne, die gezwungen war, den Bauplatz zu benutzen, hat deutlich den Spiralbau verändert, wo er den Winkel überschnitten hätte.
Naturwissenschaftliche Rundschau | Sl.Jahrg. | Heft? | 1978
Westley, Spinnennetze: Plan und Baukunst
I
tionen des Hauptthemas: ein Gerüst aus Radien, das von einer sogenannten Fangspirale bedeckt ist. Das ‘ fertige Netz ist besonders schön anzusehfeâ. Ës zeigt eine logarithmische Abnahme der Spiralzwischenräume von der Peripherie zur Mitte, und im allgef meinen sind die Radienwinkel oben weiter als unten [21]. Die Spiraifläche ist oval, mit ider längeren Achse in senkrechter Richtung; und df# Spirale zeigt kreisförmige und Pendelumgänge. Im Zentrum befinden gLÄch Nabe und offene Zone, am Rand die unregelmäßigen Rahmenfäden.
Der Rahmen ist an Ankerfäden aufgÄängt, die eine Pufferzone zwischen Strukturelementen der Umgebung, wie Zweigen und Mauern, und den Spiralfäden bilden; die Form variiert weit von Netz zu Netz. Der alleinige’Netzbewohner sitzt entweder In der Nabe oder in einem Unterschlupf außerhalb des Netzes, wobei er einen Signalfaden, der zur Netzmittë verläuft, berührt. Netze von Äraneus diadematus Gl. (auch Kreuzspinne genannt) sind am besten erforscht und vermessen (eine neuere Übersicht über Aranau^l Netzliteratur siehe in [33]).
Netze von Metepeira (AbÈ|4 und 5) sind zusammengesetzte Gebilde, die von der weltweit verbrei-t teten Spinnenfamilie gebaut werden. Besonders zwei P^’rtefi&M. labyrinthea und M. spinipes, leben in Grup-pen uijd arbeiten zusammen!® 7, 22]. In den Netzen HBmnn man fünf deutlich verschiedene Struktürele-ipmente erkennen, die verschiedene physikalische Eigenschaften haben; diese unterscheiden Jäch voneinanderdurch unterschiedliche Arten von Spinnseide aus verschiedenen Drüsen und durch Verschiedenheiten im Fadenziehverhalten. Die Struktürele-mente sind: Raumnetz, Schlupf winkéM Radnetz, Signalfaden und Eierkokon. Jedes/ist deutlich Erkennbar, und alle werden in vorbestimmter Reihenfolge
Abb. 4. Das zusammengesetzte Neflr einer Metepeira. Zuerst wird das Raumnetz (1) oben gebaut, an dessen unteren Ende die Spinne im SchIupfwinkeH[(2) sitzt; darunter befindet sich das Rad netz (3) mit Signalfäden zur Spinne (4)’; über dem Schlupfwinkel sind bei erwachsenen Weibchen gewöhnlich Eierkokons (5) in Lagen aufgebaut, ein (ddlzschnitt aus
McCook 1889 [17]. Nètz||^heiten köniriéSKür das.^eben in Kolonien dicht zusammengebaut werdeni^J
Abb. 5. Rechts und ^efnd S^m»P|nkel-Eierkokon-Kombinationen zu sehen, in denenf-öich Metepeira spinipes-Weibcheh aufhalten, die Netze mit gemeinsamen Fäden zusammen gebaut haben. Zusammenarbeit ’findet nuir3,’auf dem &gfristigera RauipAetz statt, <während Beute von ^ÉiM^ilieren in oft erneuerten papersön liehen“ Rad netzen gefangen wird. In der Natur bauen viele Metepeira ^ spinipes zusammen eine Netzkolonie, wobei sie ■ gemeinsam einen Standplatz bewohnen. Dië Zah-^ len bezeichnen die gleichen Teile wie in der Abbildung 4.
Naturwissenschaftliche Rundschad f 31. Jahrg.11Heft’ifB978
273
Westley, Spinnennetze: Plan und Baukunst
gebaut. Die Radstruktur von Metepeira und Araneus ist die gleiche. Viele Metepeira können gemeinsam einen zusammengesetzten Netzkomplex bewohnen, wobei einzelne Individuen eigene Schlupfwinkel und Radnetze bauen.
Ein weiterer Typ ist das Cyrtophoranetz (Abb. 6); die Netze von G. citrocola und C. moluccensis scheinen die gleiche Struktur ^gbesitzen und sind von Wiehle (1928), Kullmann (1958), Blanke (1972) und Lubin (1973) beschrieben worden. Die Struktur ist dreidimensional mit drei deutlich unterscheidbaren
netze sind durch ihre Raumnetze und gemeinsame Befestigungsseile miteinander verbunden. In diesen großen Gemeinschaften sind die Netznaben in der Mitte mindestens 15 cm voneinander entfernt; einzelne Tiere tauschen oft Netze untereinander aus.
Schließlich betrachten wir das Netz von Mallos gre-galis (Abb. 7). Diese winzigen Spinnen aus Zentralmexiko leben zu Tausenden zusammen. Eine Kolonie besteht aus einem zusammenhängenden Riesennetz, auf dem alle Mitglieder gesellschaftlich Zusammenleben, zusammen Beute langen und in Gruppen
Abb. 6. Netz von Cyrtophöra citricola (leicht verändert nach [12]). A bezeichnet das oberd Raum-nett, das gegen die Mitte hin dichter wird. B bezeichnet das untere Raumnetzydas nach oben hin weitmaschiger gebaut ist. In der Mitte bildet das, ^pl^ötsselförmige, horizontale, geometrische Radnetz C die Trennfläche zwischen oberem und unterem Netz; die Unterseite des Radnetzes bildet die Rennfläche für die Spinne, und die Oberseite fängt fallende Beute auf. In D sieht man einen Tildes Radnetzes von oben, wobei gegen die Peripherie hin (hier unten) die Zahl der Radien’^ stark zunimmt. E zeigt eine Netzmasche in stärket. VergrößeÄg und läßt die sechseckige Form er^ kennen.
Unterabteilungen: je ein Raumnetz unten und oben, von einem horizontalen Radnetz voneinander getrennt. Der obere Teil besteht aus einem dreidimensionalen, unregelmäßigen Maschenwerk, das gegen das Rad hin dichter wird. Ein horizontales Radnetz in der Mitte hat im Gegensatz zu den Netzen von Araneus und Metepeira eine große Zahl unvollständiger Radien. Das flache Radnetz ist durch starke senkrechte Fäden so verzogen, daß es schüsselförmig mit erhöhter Mitte erscheint. Direkt unter dem Rad ist ein verhältnismäßig offenes Gebiet, das dem alleinigen Bewohner erlaubt, schnell hin und her zu laufen. Meistens sind viele Netze zusammengebaut (zum Beispiel 200 [15]) und bilden eine Kolonie. Die Einzel-
274
fressen. Die Netzoberfläche sieht grau aus, mit Ausnahme der neuesten Teile, die weiß erscheinen. Das dreidimensionale Gebilde hat drei deutlich verschiedene Stxtikturelemente: die Oberfläche oder das Beutefangtuch, meist mit toten Fliegen bedeckt; das komplizierte, innere Raumnetz, das von Tunneln durchzogen ist; die Innenräume, die Spinen und Eierkokons beherbergen. Mallos gregalis lebt in den Tropen wie viele andere Spinnenarten, die komplexe Gesellschaften bilden, und die Netze sind weit vom Boden in Bäumen und Büschen befestigt. Man kann diese Spinnenart leicht im Laboratorium halten, denn sie fühlen sich unter den verschiedensten Umweltbedingungen wohl und sind anpassungsfähig [6, 9, 5],
Naturwissenschaftliche Rundschau | 31. Jahrg.^| Heft 7 | 1978
Westley, Spinnennetze: Plan und Baukunst
Abb. 7. Teil einer Baumkolonie von Mallos gregalis, die in dër| Nähe von Guadelajara in Mexiko geraden wurde. Die Spinnen! haben gemeinsam ein Netz unter Einschluß von’Blättern und Zweigen gebaut; fliegende Beute bleibt an der Oberfläqh’e des Tuches hängen, wo sie von vielen Tieren gern ein l^rn.; ve rzehrt wird. GewöHftlich ruhen die SpirÄn sich im Inneren des Netzes aus. Die Öffnungen, die im Deckennetz zu erkennenjpjind, erlauben den Tieren Zugang zur Netzoberf lache.
Netzgrenzen
Der Standort’ sollte nicht als statisch oder in sich seihst beruhend aufgefaßt werden, ebenso wie wir eine Stadt nicht als ein isoliertes, unveräÄerbares Gebilde auffassen sollten. Im Gegenteil ist der Standort mit dem Netz in einem dynamischen Gebilde vereinigt, das Energie innerhalb sowohl als mit der Umwelt austauschen kann. Araneus diadematus baut einen Brückenfaden und, Änkerseile zwischen Ästen und Zweigen. Diese grenzen ihr persönliches Gebiet ab und bilden die Pufferzone zwischen Netz und Umweltstruktur. Zweige, die vorher getrennt und unbe-zogen waren, werden als Ankerpunkte zÄeinem dynamischen Teil des Standortsystems. Die Rahmenfäden, die man mit dem Fundament eines Hauses vergleichen kann, verändern die Unterstützungsgebilde so, daß sie optimal der täglichen Konstruktion des Radnetzes dienen; sie absorbieren unter,anderem den kinetischen Streß, indem sie ein Zugskelett bilden, an dem das Radnetz hängt.
Solch ein System erinnert an Klees Statuen: „In diesen Gebilden kann man mit Sicherheit den Doppelfaktor eines Aufhängungs- und eines Unterstützungssystems erkennen, wobei die schiefen Flächen Freiheit im unterstützenden Rahmenwerk besitzen, an dem Verbindungen befestigt sind, die so fein sind, daß sie nur Berührungspunkte darstellen” [1], Brük-kenfäden und Rahmen bilden oft verstärkte, dauerhafte Teile des Radnetzes. Sie formen langfristige
Naturwissenschaftliche Rundschau | 31. Jahrg/|’Heft 7 | 1978
Stützen und erhalten den Umkreis des Netzes, unabhängig davon, ob im Augenblick ein Netz eingebaut ist oder nicht. Die Rahmenseide kann recht dicht sein, und sie stellt einen erheblichen Energieverbrauch dar; aber Brücke und Rahmen sind langfristige Anlagen, was die Annahme unterstützt, daß einmal gewählte Standorte selten gewechselt werden [20].
Bauzeit
Wie bei den Menschen gibt es bei Spinnen kurzfristige und igauerstrukturen. Soweit die Seide analy-|Sert worden ist, ist sie in beiden Netztypen ähnlich zusammengesetzt, während der Verteilungsplan auffallende Unterschiede aufweist. Sparsamkeit mit Arbeitskraft und Material bilden die hervorstechendsten Eigenschaften des kurzfristigen, täglich erneuerten Netzd||®iehr Zeit, Anstrengung und Material werden hingegen auf ein Gebäude verwandt, das wochenÄnd monatelang dienen soll. Interessanterweise haben die beiden Plantypen auch ganz verschiedene Funktionen: Das kurzfristige Bauwerk dient als leistungsfähige Falle, welche Beute für je ein Tier festhält und fängt; das Netz mit dem langfristigen Plan’hingegen hat viele Funktionen im Leben der Spinnen, wie Ernährung, Schutz oder Aufzucht der Nachkommenschaft.
Das beste Beispiel für ein kurzfristiges Bauwerk ist das Netz von Araneus diadematus. Seine Struktur isffldurch Symmetrie vereinfacht, ein Prinzip, das Nervi [1.8] für sparsames Bauen vertritt, und das für ein häufig Gebilde wesentlich ist. Es ist
gezeigt worden [30], daß das Legen von Spiralumgängen im Lot auf den nächsten Radius den kürzesten und einfachsten Weg für den Baumeister darstellt, eine Methode, die die Errichtung einer logarithmi-schen Spirale zur Folge hat. Vom Standpunkt des Materials ^it-eine logarithmische Spirale verschwenderisch; denn ein gutes Fangnetz für fliegende Beute sollte außen, wo die Radien weit auseinanderliegen, enge Spiralumgänge haben; und eine enggebaute Spirale nahe der Nabe ist tatsächlich unnötig. Daß die Spirale außen weit und innen eng ist, zeigt, daß für Spinnen im kurzfristigen Bauwerk Sparsamkeit in Bewegung und Orientierung wichtiger ist als Einzelheiten im Plan, die ausschließlich dem Beutefang dienen.
Araneus diadematus baut täglich ein weites, luftiges Netz für fliegende Insekten. Cyrtophora-Netz-plus-Spinnen-Komplexe andererseits nehmen eine Äeinere Fläche in Anspruch und werden für langfristige Benutzung gebaut. Dies sind keine zufälligen Bauuntersdiiede, sondern das Resultat zweier wichtiger Grundsätze architektonischen Planens und Ent-werfens. Norberg-Schulz konstatiert dies präzise:
275
Westley, Spinnennetze: Plan und Baukunst
„Im Prinzip können wir zwischen zwei Arten von Unterstützungsstmkturen unterscheiden, der umfassenden und der wiederholendem Umfassende Strukturen werden verwendet, umHn einem Schwung große, ununterbrochene Zwischenräume zü überspannen; sie bilden meistens ein einheitliches Ganzes” (Abb. 8 und die geodesischen Dome von Buckminster Fuller; siehe auch [35]). Das Radihetz verwendet den umfassenden Plan: Zwar kann man der Radstruktur Radien zufügen, aber der Plan kann nicht ohne Verletzung der Symmetrie und Funktion variiert werden.
Abb. 8. Beim Bau der Ausstellungshalle in Turin verwendete Pierre^flsiligl Norsemen modularen Planen dem gleiche, vorgegossene Strukturelem^ie viele Male verwendet wurden, um MâteriaHn Arbeit zu sparen. Obwohl di^ Maschen weite irn senkrechten, geometrischen Radnetz’ variiert, kann man es als eilten VeTsüch der SpiSe betrachten, eine möglichst große Fläche mit möglichst wenig Material und Arbeit z®bedecken; die Konstruktion ist diui^Äéinen Verhaltensmodul vereinfacht, der im ZentraikörpëÄdes :Zentralnervehs|rslen|B höchstwahrscheinlich verschlüsselt ist.
numerischen Beziehungen miteinander stehen” [27]. Man kann sich die Herstellung des Radnetzes als eine Verfeinerung des modularen Planes vorstellen, das heißt als eine kurze Folge von tastenden und fadenlegenden Bewegungen, die mit großer Geschwin-digke© vieM| Male wiederholt werden. Tatsächlich baut die spirallegende Kreuzspinne im allgemeinen über 1000 Maschen in rascher Folge in weniger als 20 Minuten, wobei ein relativ einfaches Verhaltens-muster, das im Zentralnervensystem der Spinne programmiert iSf> wiederholt ausgeführt wird. Störungsexperimente [31] haben gezeigt, daß der Zentralkörper am rostralen Ende des supraösophagealen Ganglions von Araneus diadematus möglicherweise der Sitz des Mpdulprogrammes ist. Wenn man hier Läsionen mit dem Laser verursachte, wurden nachher ®etze mit weitgehend gestörter Regelmäßigkeit beobachte^^
Die, Ausstellungshalle in Tut|p ist ein Beispiel menschlicher BaukuBst mit modularem Plan. Beim Bau der Ausstellungshalle in Turin (1948/49) benutzte ^eryi gegossene Einheiten aus verstärktem Zement für den tonhenförmigen Bogen der Halle, deren größte Dicke kaum 5 cm beträgt. Mit diesen dünnen Einheiten überbrückt er einen 80 m langen Raum, ein erstaunliches Verhältnis z$É|chen Materialaufwand und Leistung. Die wellenförmige Anordnung dieser vorgegössene|||Einheiten, die die Rippen des Daches formen, gibt ihnen die notwendige Stärke und löst zur gleichen Zeit auf eleganteste Weise das Problem des Lichteinfalles ([11], Abb. 8). Sowohl dieses Bauwerk als auch das Radnetz benötigt vorübergehend eiü/Gerüs^H
Voraussichtliche Dauer der Netze
Wiederholende Strukturen, im Gegensatz dazu, können leicht vergröJijrt werden, indem man fpile an der Außenseite anbaut, ohne daß der Grundplan gestört wird. Die letztere Bauart ist anpassungsfähiger und erlaubt vielerlei Anbauten; sie ist im Raum- und Tuchnetz verkörpert.
Das Radnetz enthält also, zum Unterschied von Raum- und Tuchnetzen, Untereinheiten oder Module, die das Resultat von kurzen, fadenlegenden Bewegungsfolgen sind, die beim Bau eines Radnetzes viele hundert Male wiederholt werden. Dies wird in bester Weise durch Marcel Breuers Worte anschaulich: „Die Suche nach Vereinfachung ist selbstverständlich damit verbunden, daß man ein Modell für die Massenproduktion findet.” Das geometrische Radnetz, das eine möglichst große Fläche mit möglichst wenig Material und Anstrengung ausfüllt, wirkt harmonisch durch „die Wiederholung eines Moduls auf solche Weise, daß alle Teile eines Gebäudes in einfachen
Peakall [20] beschreibt eine der Maßnahmen, die Araneus entwickelt hat, um Energie und Material im häufig erneuerten Radnetz zu sparen. Er setzte „kalfep Spinnen auf radioaktive Netze, die sie bereitwillig annahmen. Nachdem sie den Rest des Tages die fremden Netze benutzt hatten, bauten sie diese sorgfältig Stück für Stück ab und fraßen die alte Seide, wie diese Art esjiait ihren eigenen Netzen zu tun gewöhnt ist* Jn darauf gebauten Netzen konnte das Wiederauftauchen der Aminosäuren, der Bausteine der alten Seide, durch Messung der Radioaktivität festgestellt werden. In jedem Versuch waren mehr als 90°/o der Radioaktivität der alten Seide im neuen Netz, das am 2. Tage danach gebaut worden war. Dies zeigt, daß im allgemeinen das alte Material wiederverwendet wurde, und es erinnert an die Wiederverwendung von Konstruktionsteilen kurzfristiger menschlicher Gebäude.
276
Naturwissenschaftliche Rundschau | 31.Jahrg. | Heft 7 ) 1978
Westley, Spinnennetze: Plan und Baukunst
Wenn ein Wanderer ein Zelt für vorübergehenden Schutz kauft, wählt er ein System, das sich schnell aufrichten läßt; und eine Ausrüstung, die schnelles Aufrichten erlaubt, wird oft dauerhafteren Modelten vorgezogen. Ähnlich legt Aräneus||hre Fäden,Während dem täglichen Netzbau mit enormer Geschwindigkeit wobei sie je zwei Fäden an 2000 Stellen in 20 bis 40 Minuten zipammenschmilzt. Dem menschlichen Beobachter erscheint der Bau des Radnetzes so,.’ als ob ein wohlvorbereiteter ifafi systematisch ausgeführt wird, während der Bau von Raumnetzen mehr einem Ausprobieren von Möglichkeiten ‘■ gen scheint. In Tuch- und Raumnetzen sieht man nichts von der Ausführung eines zentrainervösen Programmes; Cyrtophora und Mallos brauchiÉ^^t . rere Tage zum Bauen eines neuen Netzes, um später ; einfach anzubauen.
Cyrtophora – wechselt zwischen dem schnellen Legen eines Fadenteiles und Ipsgedehntem TaaMKund s^Äusprobiëren ab, wobei sie häÄ^j einen bereits gelenken Faden wiedefebtrennt ihn zum zweSrt’ und dritten Male anplnem neuen Ort gefestigt [29]. Beobachter von netzbauenden Cyrtophora haben beschrieben, daß aKe ieide bei Reparaturen weggeworfen wird und scheinbar: nicht wieder verwendet l^frd^Bies^^pi, daß in Tuch-MBr fepiumnetzeh d8| * M||ze Bauze™ Und Wiederyerwendung alten M||p£ rials zugunsten eines dauerhaften Gebäudes HEp*-geben Sogar nach einend Regensturm
können Tuch- und Raüii^tee oft weiterbenutzt werden, während Radnetze zerstört sind.
Im wiederholenden Netztyp kann die Struktur anpassungsfähiger gehalten werden, und Mètep®ra und Cyrtophora zeigen großen Formenreichtum. Da sie vielfältig verändert werden können, sind diese Systeme imstande, einem weiten Spektrum von Funktionen zu dienen, was dem Radnetz nicht möglich ist. Einmal kann die Spinne sich in drei Dimensionen bewegen, während andererseits das Fadengewirr einen gewissen Schutz gegen Räuber für Spinnen und Eierkokons bildet. Zudem können die frischgeschlüpften Babies an den oberen Fäden „herumturnen”. Und am wichtigsten ist die langfristige Besetzung des Standortes. Zwar kann eine Cyrtophora ihr Netz mit einer anderen austauschen, aber andere Spinnenarten können den einmal besetzten Platz nicht mehr beanspruchen.
Das langfristige Netz können wir mit einem Bauernhof vergleichen. Nachdem ein Ansiedler einmal das Land gerodet hat, treibt er andere Siedler weg und entscheidet über die Nutzung.,Dabei hat er den Vorteil eines festen Standortes, relativ frei von Störungen von außen. Wenn er dann eine erste Unterkunft, wie zum Beispiel ein Blockhaus, baut, kann er dort Schutz suchen und kann jederzeit Räume anbauen, wenn sie benötigt werden. Aus diesem Grund haben
Naturwissenschaftlich’© Rundschau | 31. Jahrg. | Heft7M978
viele große amerikanische Bauernhäuser in der Mitte Überreste eines Blockhauses oder einen anderen, primitiven Mittelraum.
Verhalten und Bauplan
In den von uns gewählten Spinnarten und ihren Netzen kann man eine fortschreitende Zunahme sozialer Wechselbeziehungen unterscheiden. Das Radnetz von Araneus diadematus scheint ausschließlich für Einzelbewohner vorgesehenWHBiâ^ das ganze Netz kann von einer kleinen Plattform, der Nabe, aus kontrolliert werden; dièBifämménr^^fciden Radien leiten alle Vibrationssignale^und alle Gehwege jßi ^|e’s^m Punkt. Mitglieder der Art zeigen wenig Duld-samkS untereinander. AlleBwas im Nëtz’ Schwingungen éSluat. scheintiÉ^Bgrifgn zu werden, sei es Bll Fliege, ein Familienmitglied odër eine Stimm-V* gajbel.
Abet., selb® EinzëlCT^Me^BB^ den; ^Tieren’ müssen mit Artgenossen Kontakt aufnemRv zumindest mit ffiepärtnern und Jungen. Werbe^^SEt mUBHgf dSAraneusnetzes statt, wobei daswahd^HLe’ Männ-. ÉMi damit begifmt, mit einem Bein am Außenrande des Netzes HSizupfen oder zu trouBeln. Aber ehe die Paarung wirklich s|Äfinden kann, muß das Männchen einen/Sgenen Faden am Netz des Weibchens befestigen, was zeigt, daß ein i^pfes Strukturelement hinzugefügt werden mufc ehe zwei Ttere Zusammenkommen können. Die HjHgen, die zu Hunderten aus einem Eiers^pSschlüpfen, bleiben, einige Zeit zusammen, wobei sie nicht $frji Radnetz, sondern ein ge-meinsaiÄ;|gebStes Tuchnetz bewohnen ([17], Burch, in Vorbereitung). In allen Fällen dient das Radnetz!-nur einer Spiilni; und Gruppentätigkeiten sind mit anderen Strukturen verbunden.
Im Gegensatz dazu zeigen Cyrtophora und Mete-peira regelmäßige Wechselbeziehungen zwischen Individuen auf den Alltagsnetzen; sie brauchen dafür keine Extrastruktufen zu bauen. Bei Cyrtophora, wo Netze sich berühren, können Nachbarn Beute von|& einander stehlen oder Netze austauschen; und nu|| selten greifen Ai^iffinössen sich untereinander?’Jan. Wenn Junge aus dem Kokon kriechen, begeben sie Sich direkt in das überdachende Raumnetz. Sie bauen eigene Fadengebilde in das Netz der Mutter und dulden sich gegenseitig während der ersten Zeit. Es ist wahrscheinlich mehr das Netz als gegenseitige Anziehung, was sie zusammenhält. Das Werbe vergalten ist im Gegensatz dazu von der Anwesenheit des Weibchens und nicht vom Netz abhängig.
Ebenso wie Cyrtophora findet man Metepeira spi-nipes immer in Gruppen mit charakteristischen Abständen von Tier zu Tier [3] (unveröffentlichte Maße
277
Westley, Spinnennetze: Plan und Baukunst
von Burgess). Das Raumnetz von Metepeira ist die Bühne, auf der gemeinsame Handlungen stattfinden. Männchen, die keine eigenen Netze bauen, können hier warten, um das Futter von Radnetzen der Nachbarin zu stehlen, oder sie können sich zum Schlupfwinkel herablassen, um Werbung und Kopulation zu vollziehen. Die Jungen halten sich hier nach dem Schlüpfen eine Weilé auf, und sie verankern ihre ersten Netze hier. Männchen können tagelang #it jungfräulichen Weibchen im Gespinst über dem Schlupfwinkel ‘i Zusammenleben. Bemerkenswerterweise werden nach der Kopulation die Eierkokons unmittelbar über dem Schlupfwinkel angebracht und besetzen dadurch diese Gegend.
Das Netz von Mallos bildet die permanente Grundlage für die vielen sozialen Wechselbeziehungen dieser Spinnen. Als das Produkt gemeinsamen Spinnens macht das Tuchnetz Anhäufungen von Tieren, gemeinsamen Beutefang und Aufziehen der Jungen dufch Gruppen möglich. Die Tiere dulden sich unbegrenzt gegenseitig. Die Männchen nähern sich den Weibchen in relativ einfachem Werbeverhalten, und winzige Jungspinnen laufen auf dem Netz unbelä-stigt herum. Sie können ungestört an der von den Erwachsenen gefangenen Beutemessen. Noch wi|ij?pn wir nicht, wie die Gäftenwahl auf dem Gemeinschaftsnetz stattfindet, wo alle Tiere dip ganze Zeit lang sp nahe Zusammenleben; aber man kann sich vorstellen, daß es ein bisher noch unentdecktés Strukturelement? gibt, das der Gattenwahl dient.
Im Tuch- und Raumnetz ist das wiederholende Bauprinzip ^verwandt, und wenn die Bevölkerung wächst, wird das Netz vergrößert. In ähnlicher Weise mag ein Architekt keine spezielle Kinderstube WM eine Familie bauen, sondern einfach genügend Zimmer in Stadardproportionen, die für Kinder eingeg richtet werden können und den vielen anderen Erfordernissen über viele Jahre hin dienen können.
Man kann das soziale Verhalten auf auch andere Weise ansehen, nämlich vom Standpunkt seiner Organisation. Die alleinstehende KreuSlpinne, die sorgfältig altes Strukturmaterial wiederbenutzt, kann idle verschiedenen Tätigkeiten selber koordinieren. Folglich hält sie Eierkokon, Schlupfwinkel und Fangnetz säuberlich auseinander. In ähnlicher Weise sind Cyr-tophora-Männchen für die Kopulation nicht von der Netzstruktur abhängig, sondern folgen vom Weibchen ausgehenden Signalen.
Wenn mehrere Individuen an einem Ort leben, mag es vorteilhafter sein, wenn man zum Beispiel durch die Netzstruktur gemeinsame Tätigkeiten koordiniert. Wir können zum Vergleich anführen, daß wir unseren Weg zu Hause gut zu finden wissen, während im Bereich einer großen Stadt Landkarten, Wegweiser und gut bezeichnete Straßen Wichtigkeit erlangen.
278
Das Verhalten von Metepeira ist weitgehend durch die Netzstruktur bestimmt. Der Beutefang auf dem Radnetz sieht dem der Kreuzspinne ähnlich, aber der Abstand zwischen Radnetzen ist bei Metepeira durch ein permanentes Raumnetz festgelegt. Die Orientierung des Männchens zum Weibchen erfolgt mit Hilfe dér oberen Verbindungsstraßen des Raumnetzes und nicht durch dié. freie Luft. Wie bei Cyrtophora wirkt das Raumnetz richtunggebend bei der Ausbreitung der Jungen; difyilungen bleiben lange Zeit in der Nähe der Geburtsstätte und können sich über die aneinanderstoßenden Netze der ganzen Kolonie ver-tefgfen. So ist der Ort für jede Handlung der Spinne in der Gebäudestruktur vorgesehen: Das kurzzeitige Radnetz hängt am Dauerraumnetz, während der Schlupfwinkel ein Wartegebiet y darstellt und den Eierkokons als Unterlage dient. In einer ständig wechselnden Umwelt ist der Netzkomplex ein stadt-ähnliches Ordnungssystem, das einem Plan folgt, der sich über lange Zeitspannen entwickelt hat und in den Genen der Spinnen verankert ist.
, Der Mallosplan, der auch die meisten Funktionen in der Struktur verankert, ist weniger beweglich. Im gemeinsamen Netz bewegen sich die Mitglieder der Gruppe auf seidenen Straßen, die vorher von anderen Mitgliedern als Richtungsfaden gelegt worden sind. Das oberflächliche Tüchnetz dient nicht nur dem Verkehr, sondern es übermittelt auch Signale für den Gruppenbeulefang dadurch, daß es durch Mitschwin-genl&it d|l zappelnden Fliege den spezifischen Reiz auslöst [4]. Innerhalb des Netzes sind in Räumen für trächtige Weibchen und für Eierkokons Funktionen der Kolonie zentralisiert. Da das Tuchnetz durchlaufend und asymmetrisch ist, können Gruppen von Spinnen Beute gemeinsam fangen. Möglicherweise lockt das Netz Fliegen an [6].
Strukturen zur Nachrichtenübermittlung
Es ist leichterÄber die Nachrichtenübermittlung bei ■ffietÄi zu diskutieren, als sie. exakt zu untersuchen, hauptsächlich deswegen, weil Fragen wie „wer spricht zu wem” oder „ist die Nachricht durchgedrungen” beantwortet werden müssen. Tiere können uns das nicht erzählen. Um Kommunikation wissenschaftlich zu untersuchen, müssen wir etwas finden, was meßbar ist. Die Verhaltensforscher zum Beispiel messen Informationsübermittlung, wobei sie Informationseinheiten berücksichtigen, die ein Lebewesen in die Umgebung aussendet. In unseren Untersuchungen am Spinnennetz denken wir in erster Linie an Strukturelemente und Formen als Unterlage für den Transfer von Informationseinheiten. Da die Signalstärke mit zunehmender Entfernung abnimmt, müssen Tiere dafür sorgen, daß sie im Bereich bleiben, in dem Signale erkennbar sind. Um den Bereich zu
Naturwissenschaftliche Rundschau | Sl.Jahrg. | Heft 7 | 1978
Westley, Spinnennetze: Plan und Baukunst
erweitern, bauen sie Signaltransportnetzwerke. Ebenso wie die Spinne im Netz ist der Mensch von Gebilden umgeben, die seinen Wahrnehmungsbereich erweitern: Wir sind untereinander durch Telefondrähte verbunden, durch Radiowellen, Straßennetze, Eisenbahnen, Postdienst und Flugzeugverkehrswege. Wir rufen Nachbarn an, schreiben Briefe, tauschen Bücher aus oder gehen über Straßemund durch Hallen, um sie persönlich zu sehen. Wir hängen mit unseren Artgenossen durch die sb^kture|ll£n&,, Netzwerke” unserer Zivilisation zusammen.
Abstand zwischen Individuen d$i ein Sozialfaktor, der auf Signalaustausch berpllB Mit Ausnahme der Tiere, die sich rein zufgfeig verteilen, können Arlfp* nossen entweder versuchen, sich zu vereinigen oder sich soweit wie möglich voneinander entfernen, f!|d die Ausbreitungsmuster beruhen auf interindSiduel-lem Informationsaustausch. So können Tiere,, die oberflächlich als Einzelgänger erscheinen, mit Artgenossen in Verbindung treten, ihnen Signale übermitteln, die den Abstand bewahren Reifen. Dies koiplte sehr wohl für die einzelgängerisBIgi Radnetzp . spinnen der Fall sein.
Um zu fressen, müssen Spinnen Signale von der zukünftigen Beute empfangen, meistens durch Fadenschwingungen. Das Radnetz wählt Informationen aus der Umgebung dadurch aus,”/(laß es nur Beute von verwendbarer Größe mechanisch ausfiltriert [32] und ungeeignete Schwingungen und IRtüb ertragene Geräusche dämpft [25, 28, 8]. Im Gemeinschaftsleben von Mallos sorgt das entsprechende Netz für gemeinsamen Beutefang, indem ein deutliches Signal von einer schwirrenden Fliege übermittelt wird, aber die Schwingungen, die laufende Spinne^f [erzeugen, ge* dämpft werden [4].
Für solche. Funktionen gibt es viele Parallelen in anderen Gebilden, die von Lebewesen gemeinschaftK lieh bewohnt werden. Als Baumeister planen Menschen Häuser, die einerseits Familien Zusammenhalten, aber durch Zwischenwände und Türen das Privatleben von Individuen ermöglichen. Das Gebäude einer Handelsgesellschaft kann so konstruiert sein, das Angestellte leicht den Weg zum Büro des Direktors finden; aber dort muß dann unweigerlich eine Sekretärin sitzen, die den Verkehrsfluß koordiniert und filtert. Straßen mit ebenen Oberflächen verbinden menschliche Wohnhäuser und unterstützen den Verkehr durch Fahrzeuge oder auf besohlten Füßen. Seidenfäden verbinden Spinnen und erlauben Verkehr auf hakenbewehrten Füßen.
Den Bauplan beeinflussende Faktoren
Der Bauplan in menschlichen Behausungen und Spinnennetzen ist ein Ergebnis sowohl der unmittelbaren
Naturwissenschaftliche Rundschau | 3L JahrgHeft 7 | 1978
funktionellen Ansprüche, die an das Gebäude gestellt werden, als auch von Überlieferungen. In Vororten sich ausbreitender Städte bieten die Häuser den Bewohnern Unterkunft und eine angenehme Umgebung, aber sie enthalten auch nichtzweckmäßige Elemente wie weiße Säulen, Verzierungen und Giebel, die oft an griechische Tempel erinnern. In ähnlicher Weise kann man Einzelheiten im Spinnennetzbauplan durch Überlieferung zu erklären versuchen, anderes durch den unmittelbaren Nutzen für den Bauherrn.
Der Ausdruck „Überlieferung” oder „Tradition”, der von Webster als „Entworfen in bewußter Anlehnung an architektonische StilB der Vergangenheit” dil§||ert wird, Run auf Spinnen kaum angewandt werden. Stattde||^p. hört man häufig den Ausdruck „genetisches Beharrungsvermögen”. Das Zentralnervensystem, das den Beinen und dem übrigen Körper die Signale zusendet, damit sie sich in der besonderen Weise bewegen, diep|$|h Auslegen der Seide imNetz-Bpjste^® sich gemäß einem geneti
schen Schlüssel. Dieser Schlüssel wird von Genera-tion zu Generation^ wmtergereicht; und obwohl er Mutationen und natürlicher Auslese unterliegt, bleibt er für die Art über lange Zeiträume unverändert.
Um das Ausmaß der genetischen Verschlüsselung zu untersuchen, haben Reed und Mitarbeiter [23] Versucht herauszufinden, ob Spinnen individuÄe Erfahrungen im Radhetzrfrnster sichtbar machen: Auf früheren Versuchen aufbauËnd, vermaßen sie die Netze auf wachsender Araneus diadematus-Geschwi-tsfér, wobei die Hälfte der beobachteten Tiere täglich fl^Éllfgen im Netz gefangen hatten, die anderâ Hälfte ausschließlich direkt am Mund gefüttert worden war. Man fenn vermuten, daß die Nichtbenutzung des jfeitzes bei der Hälfte der Spinnen Vernachlässigung von Details im Netzbäu verursacht, so daß diese Spinnen weitmaschige, unregelmäßige Netze bauen. Eg wurden aber keine UnterlSede zwischen den Netzmustern fliegenfangender und mundgefütterter Spinnen gefunden, was für minimalen Einfluß der Erfahrung auf die Feinstruktur des Netzes spricht. Andere Experimente, wo Spinnen unter verschiede^ nen Bedingungen aufgezogen worden waren, bestätigen diesen, Schluß. Es läßt sich daraus ableiten, daß Blchtbenutzung von Strukturelementen bei Spinnen langsamer als bei Menschen zu deren Verschwinden führt.
Andererseits kann man aus Netzphotographien ersehen, daß neue Umweltbedingungen den Netzbau unmittelbar beeinflussen können (Abb.3). Es wurden Photographien gemacht, nachdem Spinnen in Käfige eingeschlossen worden waren,-wo sie nicht geeignete Netzbauplätze auswählen konnten; so etwas mag unter natürlichen Bedingungen nie Vorkommen, weil Spinnen dort den Ort je nach dem Vorhandensein offener Räume wählen. Aber unter unseren etwas
279
Westley, Spinnennetze: Plan und Baukunst
künstlichen Lebensbedingungen kamen Mechanismen ins Spiel, die ihnen Anpassung an unmittelbar vorhandene Umweltbedingungen erlaubte.
Teilweise wollten wir die Wirkung extremer Umweltbedingungen auf das Netzmuster testen, und teilweise wollten wir die Anpassung eines wirbellosen Tieres an Gewichtslosigkeiiffdie in der Erfahr rung der Art nie vorgekommen war, untersuchen, §|fcs wir netzbäuende Spinnen In den Weltraum zu Skylab II Wchickten, während es die Erde umkreistet Zwei Tiere wurden von den Astronauten imrkleinen Röhrchen in der Tasche zum früher hinaufgeschosse-nen Laboratorium befördert; sie wurden in Käfigen freigesetzt und durch Kameras beobachtet. Das erste Tier begann vier Tage, nachdëm ës aus der Röhre entlassen war, ein Netz* zu bauen, das etwa die Größe und Regelmäßigkeit eines Erdnetzes besaß.
Dagegen waren im Weltraum gebaute Netze Von Erdnetzen deutlich |jt drei Maßen verschieden: VerS teilung der Radienwinkel, Fadendicke und Zahl der Umkehrstellen in der Klebspirale; diese Maße hängen vermutlich alle mit der Orientierung des S|ére:s nach der Schwerkraft zusammen [34]. Man kann die Tätigkeiten der Spinnen und Astronauten unter schwerelosen Bedingungen vergleichen: Die letzteren BlpLchten ein ausführliches Training durch, und
dachten über dfëMaßn^men nach, mit denen sie sich den erwarteten neuen Umweltbedingungen anpasse® konnten, während die Spinnen dem Wechsel völlig v\#hyorbereitet aus<|ë|setzt waren. Beide Lebewesen lösten das Problem des sich Herumbewegens, undHe.’ formten ihre Umwelt in gewohnter Welmwobei^ie, beide wirksam die Abwesenheit der SchwerkraftMusA glichen. Dies zeigt, daß; zwei verschiedene Organismen ähnliche Resultate ep®len können, wobei JSqler das Probjjajauf seine W^e löst.
Da keine fossilen Netze erhalten sMj| wissen ms nicht, wie der Selektionsprozeß den Netzplan in der Stammesgeschichte der Spinnen beeinflußt hat. Es ist eine erstaunliche w^eo|iac^||Lg, daß wenige
Grundpläne wie das Rad-, Tuch- und Raumnetz Hl mer wieder in verschiedenen Kombinationen von Tausenden netzbauender Spinnen wiederholt wer.-1 den. Man hat deshalb vermutet, daß diese Netzformen solch einzigartige und vorteilhafte Lösungen für das Problem der geforderten Funktion bieten, daß sie von verschiedenen Arten unabhängig /voneinander mehrmals „erfunden” worden sind [13].
Man kann auch das Erscheinen weniger Mpster in verschiedenen Arten so erklären, daß man, die Existenz eines ursprünglichen Netzbauers annimmt, der ein subsoziales Tier mit einem zusammengesetzten Netzgebilde war, ähnlich der jetzigen Metepeira. In der Entwicklung über Tausende von Jahren nahm die Spezialisierung zu: Einige Tiere entwickelten sich zu Einzeljägern mit großen, regelmäßigen, schnell zu
280
erbauenden Radnetzen, andere zu Gemeinschaftswesen, wo die gemeinsamen, asymmetrisch sich wiederholenden Pläne den Ansprüchen am besten entsprachen, während wieder andere sich zu losen Gruppen mjÉ/ gemischten Netzstrukturen zusammenschlossen. Robinson und Robinson [24] nennen solche Erscheinungen „Netzentwicklung mit zunehmender Reduktion diiÄomplexität”. Im Gegensatz zum Menschen, bei dem die Möglichkeit der Wahl zwischen Einzel-, Gruppen- oder Familienleben offensteht, wobei er verschiedene UnterÄjhfte entsprechend wählen kann, werden die heute lebenden Spinnen in ihre soziale und Netzstruktur hineingeboren, die artspezifisch in ihren Genen verankert ist.
Ein weiteres indirektes Beweisstück für den gemeinsamen Ursprui^ verschiedenartiger Netzstrukturen ist die Strukturveränderung, die im Verlauf déjj>! Lebens eines Tieres beobachtet werden kann. Frisch ‘ gesÄüpfte Araneus diadematus-Spinnen bauen ein Raumnetz und leben darauf zusammen. Solange sie auf difsem Gebilde leben, sind sie tolerant gegeneinander, obwohl sie bereits fähig sind, kleine Beutètiere zu fangen und einzuspinnen. Nach” ein bis zwei Wochen verlassen sie das- gërneinsame Netz einzeln und bauen ein erstes eigenes, volllljm-menes Radnetz ;^Sdiesem Netz ist;kfin Zeichen von Toleranz mehr erkennbar, und sogar Geschwister werden angegriffen, wenn sie zufällig ins Netz gelangen.
vNtan muß hier dej|| Schluß ziehen, daß die Fähige kRën, Raum- und RadnetÄ zu bauen|®3|e beide je-d§tffiinzelnen KreSijlinne genetisch? mitgegeben sind., sich aber zu verschiedenen. Zeiten des Lebens manifestieren. Die Tatsache, daßJSiere zwei verschiedene Ng-tz typen in der Spanne eines Lebens bauen, zwingt 9 dem Schluß, daß die Veränderung zusammen mit dem Netzbauprogramm im Zèntralnerven-sjftem enthalten ist. Man muß sich bei dieser GellS genhfeit auch daran erinnern, daß vSe Mef© Fak- • tore^wie Körperform ’be^fa|sich^^werde®; wenn
phjlogënetischer Stammbaum für Spinnen aufge-sÄwird; uns beschäftigt hier nur der Netzplan als einer der Faktoren, dql zur Erkennung vo^jVerwandtschaftsgraden dienen kann.
Das gewählte Material beeinflußt die Struktur. Sobald Stahlträger oder verstärkter Zement zur Verfügung standen, eröffneten sich neue Möglichkeiten für das Bauen von Räumen. Im Gegensatz dazu scheinen Spinnen nur ein Material in all ihren Bauwerken verwendet zu haben: das Polypeptid Seide. Sehr ähnlich zusammengesetzte Seiden sind weit verbreitet, werden sie doch von so entfernt verwandten Tieren wie Spinnen und Insekten verwendet, bei den letzteren von Motten und Schmetterlingen; am besten bekannt sind die Larven der Motte Bombyx mori, die Seidenraupen. Lucas und Rudall [16] faßten Unter-
Naturwissenschaftliche Rundschau I 31.Jahrg. | Heft 7 | 1978
Westley, Spinnennetze: Plan und Baukunst
I
sudiungen der Seide radnetzbauender Spinnen (Ar-giopidae) zusammen, wobei sie die Seiden aus verschiedenen Drüsen einer Art und die Seiden von verschiedenen Arten miteinander verglichen.
Der Faden, der das Gewicht der Spinne halten muß und die Spannung im Netz bewahrt, enthält einen hohen Prozentsatz von Aminosäuren mit kurzen Seitenketten: Peakall (in [33]) erwähnt für Alanin Zahlen wie 32,7 latad 33,4 g/100 g Seide, für Glycin 24,3 g/j 100 g Seide und für Serin 6,3 bis 6,;4 g/100 g Seide. 10 oder 11, andere Aminosäuren mit längere Seitenketten bilden dièmbrigen Bestandteile der Seide. Im Vergleich mit Nylon (8,7 g Denier)*) ist die Spinnenseide mit 7,8 g Denier beinahe ebenso zäh; aber gleiilieitig ist diBj Streckbarkeit von Spinnenseide erheblich höher.’ -^für ähnliche Zwecke haben Spin-nenyiind Menschen vergleichbare!: Vorgehen entwickelt. Beim Bau der Brookhynbrücke, einer Hängebrücke in N^w York, die B883 Hollendet wurde, entwickelten Vater und Sohn Roebling eine Vorrichtung zum Spinnen von Stahlfäden, zu dicken Seilen; der Vorgang wurde an Ort und Stelle ausgeführt und führte zum Überspannen großer Zwischenräume mit majestätischer Eleganz. Im Einklang mit seinen
»Grundeigenschaften wurde Stahl so als Sparmufpsn träger benützt [14].
Wenn man die Seide der strukturellen Netzfäden, die die Tiere zu tragen haben, mit Kokonseide, die mehr als Schutzhülle und Isolation funktioniert, vergleicht [16], muß man schließen, daß die mechanischen Eigenschaften der zwei vom selben Tier produzierten Seidenarten ihren Funktionen gut angepaßt sind: Während der Strukturfaden hohe Reißfestigkeit be-sitzt^^zeigt der Kokonfaden diese nur in geringem Maße. Vermutlich sorgte genetisches Beharrungsvermögen, nachdem günstige Materialien entwickelt worden waren, dafür, daß Spinnen sie v» Generationen lang verwendeten. Anders gesehen hat die Entwicklung von starker ft^nd elastischer Seide es ermöglicht, die derzeitigen Netzmuster auszuführen; aber der ererbte Weg der Seideüsynthese hat dann mögliche Variationen im Netzmuster eingeschränkt.
Bei Menschen bieten die griechischen Tempel ein Beispiel für Beschränkungen durch das Baumaterial. Die Steingebäude folgten Pfosten- und Balkenkonstruktionen, die mit dem früheren Baustoff Holz entwickelt worden war. Zwischenräume waren jetzt plötzlich durch die Länge der Steinbalken begrenzt, und die Säulen rückten näher zusammen, was zu massiven Bauten Anlaß gab. Erst Generationen später wurden Bogen und Gewölbe entwickelt, wodurch es möglich wurde, größere Zwischenräume mit Stein zu überbrücken; und die lichten gothischen Kathedralen
lUr = 0»05 g, Gewichtseinheit zur Bestimmung des Titers von Seidengarn u. a.
Naturwissenschaftliche Rundschau | 31.Jahrg, | Heft 7111978
konnten gebaut werden, als man gelernt hatte, das „neue”! Material angemessen zu verwenden. Stahl und verstärkter Zement ersetzten schließlich Steine, wodurch neue Entwicklungen in menschlichen Bauplänen möglich wurden.
Ein|p$deine Auswahl von Spinnennetzen, absichtlich wegen ihrer starken Variation gewählt, ist von uns analysiert worden. Den charakteristischen Plan jeder Strlifiur haben wir durch funktionelle Erfordernisse zu’erkläret versuch Es konnten Parallelen zwischen den Entwürfen der menschlichen und Spinnenstrukturen aufgezeigt werden, und in zahlreichen Fällen konnten Struktürdetails miteinander verglichen und ähnliche zugrunde liegende Bauprinzipien gefunden werden.
Spinnen bauen, ebenso wie Menschen, kurz- und langfristige Bauwerke, wobei die ersteren einen Plan verlangen, der schnelle Errichttüng erlaubt, während die letzteren langsam gebaut werden und die Möglichkeit späterer Anbauten offenlassen. Der umfassende, moduläre Plan wurde von beiden Lebewesen für gewisse Zwecke vorteilhaft gefunden; der wiederholende Plan für andere Zwecke.
Einzelwesen müssen miteinander in Verbindung treten und brauchen gleichzeitig Zurückgezogenheit. Man kann beide Anforderungen in den Spinnen- und Menschenbauten erfüllt finden. Es gibt sowohl Wände, die Lebewesen voneinander trennen als Verbjndungsstraßen, die sie züsammenbringen-, und beide Arten von Bauwerken ermöglichen Verbindung über weite Zwischenräume durch besondere Strukturen wie vibrierende Seidenfäden oder elektrische Drähte.
Der Grad von Zusammenleben, den Einwohner zeigen, ist deutlich im Bauplan sichtbar; Einzelwesen sind anders als Familien und Gruppen üntergebracht. NachkommenÄönnen im Wohnbau der Eltern oder in eigenen Räumen aufwachsen, Räume, die ausschließlich den Babies dienen.
Die Raum-, Rad- und Tuchnetze der Spinnen sind sowohl im Entwurf als auch in der Funktion verschieden. Sie sind der Ausdruck verschiedener adaptiver Strategien und zeigen Parallelen zu menschlichen Gebäuden. Netze können allein oder in Gruppen Vorkommen; ein Gebäude kann vielen Funktionen durch zusammenfassendes Planen dienen.
Selbst so auffallende Unterschiede zwischen Spinnen- und menschlichen Behausungen wie Baumaterial und Verschlüsselung des Planes können Ähnlichkeiten in grundlegenden Systemprinzipien zeigen. Der Vorgang der natürlichen Auslese für das wirkungsvollste Spinnennetz ist mit den wirtschaftlichen Überlegungen vergleichbar, die ein Architekt beim Entwurf eines Gebäudes anstellt. Materialien, obwohl einheitlicher in Spinnenstrukturen als in menschlichen Gebäuden, sind in beiden Fällen nach Brauchbarkeit
281
Wunderlich, Die Kernmatrix: Dynamisches Protein-Gerüst in Zellkernen
ausgewählt und haben daraufhin die Strukturpläne entscheidend beeinflußt.
Eine der interessantesten Aspekte von Spinnennetzen ist die Wechselwirkung zwischen ihnen und der Umgebung. Die unmittelbare; Umgebung beeinflußt Netzstrukturen, aber andererseits ferändern Netzstrukturen auch die Gegend, in der sie Vorkommen. Wir stehen gerade am Beginn einer Periode, in der solche Fragen aufgeworfen werden. Das Verständnis dieser Wechselbeziehungen zwischen Gebäude, Baumeister und Umgebung ist möglicherweise das Gebiet, in dem wir menschlichen Baumeister in Zukunft am meisten vom genauen Beobachten der Spinnennetzpläne lernen können.
SCHRIFTTUM
Hs werden jeweils, die übersichtslaiÄel zütiért. [1] G.
Argon, Marcel Breuer: dis^gno indusM’ale e architekt^S. Gor-lieh. Mailand 1957. — [2] R. Baltzer, Mitt. Niat^jorsdi. Ges. Bern, S. 163 (1923). B [3] R. Blanke, Forma ét Funcffl 5, 125. (1972). -I [4] J. W. Burgefe The skeet web^s a transducer, * jjiodi^Äg vibration signals B^pcial spidéfecolonies of Mallos gregaliiS Neuriöselerice Abslréâ^P^NIew Xork 1975. — [5] J. W. Burgess, Scient. American 234, Nr.t3’*!100 (1976)^'[©h5-vBull. Spc. Nat. Acclim. FrCtiS p. 240 (l’915)f;-^r [7] F. Hnd|sr^^ffl^^i55,
■7 (;f9^4^|Hj[8J A^inck, G. M. Stewart, C. F. Reed, J. Acpust. S’p’b.^ Am. 57, 753 (1975). — [9] W. J.-Gertsch: American Spiders.. Van York 1949. ÄOMM, Holzapfel, Z. vergl.
PhysTol. 28,||| 0933), — [11] J. Jöefföcke: A History of Modern A^^®|®^^Praeger^^ew 1959: B [4^||e. J. Kullmann,
86, ■■ —. [B^MPKullmann, Am. Zopi. 12, — i[T4] *F. Lloyd BËjäht; ArcÄ^.inre, Man in
PcSiSwii BB Earth. Yoj’k 196^^Bl51 Y. B
Lubin, Fprma pjË Functio 6, 337 tl9?3)BB [16] F. pjjjylp K. M. Rud’all^ér^’ph. Bjodiem. 26 B, 475^(i-96|)W- [1$J/H. IvTeGook: American Spiders and Their Spm^Éc. Work (1889). Pub. by authors Philadelphia 1903, HT[18] P. L. Nervi’:? Structures. Dodge. New Yp|k 1956. ill [19] C. Norberg-Sditfp| Intentions in Archie lecture. MIT PreSsT Cambridge, Mass. 1945. —- [20] , D. B. Peakall,,, Exp. Zool. 176, 257 0971). ^- [21] H. M. Petefi^Zschr. Morph. j^|re 32, jlijl’ (1936). — [22] F, O. Pickard-Cambrjdge, Biol.- Centr. Ameifcool. 2, 425 (,1903). —,[23] cB. Reed’, P. N. Witt, M. B. %carbo]ji)j; D. B. Peakall, Developm. Psydhobiol. 3,
[24] M. H. fpDbinspn, B. Robinson, jZbol. J. Linn; Soc. 56, 301 (19751.. R. Szlep, Behaviour 23, 203 »46)^ — (26] A.
Turnbull, Ann. Rlffjji. Entomä 18, 305 (1973).B f27] M. Vitruviu#i De ArcpraR^ura. London 1940 (zit. aâ^m|f 281 ^WalcP|tr Am. pool, 9, 133^1969). ;— [29] H. DViehle,, Zschr. Morph; ökofe Tiere 11, 115 (1928). — [30] P. N/.^itt, BehaVipurl 4, 172 (1952).^ — [31] I— Am. Zool. 9, H N. Witt;/
Biosci. Comm. 1, 7^975). — [33] P. N. Wifi C.ÄRëed, D. B. Peakall: A Spider’s Web. Problems in Regulatory Biology..’Spring ger. Belipil968.[34] P. N. Witt, M. B. Scarbor^/R. Daniels,,;.” D. B#ÄkapRM Gaüse,’ J. AräcjjmoMl,
W. Burgess, P. N. Witt, Interdisc; Sei..Reviews 1, 322 (1976).
Die Kernmatrix: Dynamisches Protein-Gerüst in Zellkernen
Frank Wunderlich, Freiburg
Zentrale Bedeutung kommt in Euzyten dem Zefpl kern als Hauptort der Replikation und Transkription zu. Dieses größte Kompartiment der Euzyte (sein Durchmesser beträgt in der Regel 3 bis 10 /um) beeindruckt vor allem durch seine strukturelle Komplexität und Dynamik. So sind unter anderem Kemgröße, Kernform, Anordnung und Verteilung des Eu- beziehungsweise Heterochromatins, Anzahl und besonders Ausbildung und Feinstruktur der Nucleoli in den verschiedenen Zelltypen recht mannigfaltig, variiè-ren aber auch innerhalb eines Zelltyps in Abhängigkeit vom physiologischen Zustand, vom Zellzyklus, von der ciradianen Periodizität usw._ Zum Beispiel vergrößert sich der Kern vor dem Einsetzen der DNA-Synthese [1, 2, 3], Oder: Die Gestalt der Kerne kann rund bis länglich ovoid, aber auch stark gelappt sein (Abb. 1—4). Eine besonders markante Veränderung in der Kernform läuft bei der Muskelkontraktion ab: Kerne mit glatter Oberfläche liegen in ent-
282
spannten Zellen v6f*j(Abb. 2), während ip kontrahierten Zustand die Kerne gelappt beziehungsweise verdrillt sind (Abb. 3). Oder: Kerne mit fast nur aufgelockertem, dem genetisch aktiven Euchromatin kommen bevorzugt in embryonalen oder proliferie-renden Zellen vor (Abb. 6). Die umgekehrte Situation Kerne mit ausschließlich kondensiertem Heterochromatin — ist in stoffwechselphysiologisch relativ inaktiven Zellen anzutreffen (Abb. 5). Oder: Kerne enthalten häufig nur einen, meist stark entwickelten Nucleolus (Abb. 1); andere Kerne dagegen können
Di. rer. nat. F. Wunderlich (tfeb. 19. November 1943) ist Priv.-Doz. für Zellbiologie än der Universität Freiburg. Hauptarbeits-gebiete: Biomembranen, Kernmatrix, Kern-Cytoplasma-Stoffaus-tausch.
Priv.-Doz. Dr. F. Wunderlich, Lehrstuhl für Zellbiologie, lnstitut\ für Biologie 11, Universität Freiburg i. Br., Schänzlestr. 1, 7800 Freiburg.
Naturwissenschaftliche Rundschau | 31.Jahrg. | Heft 7 | 1978