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beneiden könnten, schlank, lang;
rund und sensibel”« beschrieb
vor i erhunder’ Jahren ein eng*
lisch er Geistlid r name is Mouf-
fet eine Spins «keil Mensch
noch sonst ein Geschöpf kann
sich mit ihr vergleichen.“
Mouffets Loblied auf die Spin*
nen wird jet2t auch von den For-
schern gesungen. Denn immer
mehr Wissenschaftler wenden
sich nun den Stiefkindern der
Zoologie, diesen „äußerst Inter*
ssanten und vor allem sehr
vielseitigen Tieren” zu — so der,
Kieler Zoologie-F ofessor Ernst
Kulimann.
Mit hochmodernen Geräten
(wie Raster-Elektronenmikrosko-
pen) und erfolgversprechenden
Arbeitsmethoden (wie der engen
Zusammenarbeit von Speziali-
sten aus verschiedenen Fachge-
bieten) erzielen die Spinnenfor-
scher bereits erstaunliche Ergeb-
nisse:
• Der amerikanische Pharmako-
loge Witt wolltr die Wirkung
von Droge auf 1. ^entwickelte
Nervensysteme testen und füt-
terte deshalb Spinnen, die geo-
metrische Radnetze bauen, mit
Aufputschmitteln wie Koffein.
Ergebnis: gedopte Spinnen bau-
en chaotische Netze.
• Der Kieler Zoologe Kulimann
und der Stuttgarter Architektur-]
Professor Frei Ottó vergleichen
die Bauprin pien von Spinnen-
netzen und „leichte Flächen-
tragwerken“ wie dem Münchner
Olympia-Zeltdach, als dessen
geistiger Vater Frei Otto gilt.
Ergebnis: Spinnennetze haben,
v ie computerberechnete Zeltdä-
cher, das ideale Verhältnis zwi-
schen geringstem Materialauf-
wand und höchster Festigkeit —
nur daß Spinnen fäden bessere
Werkstoffe als Stahl oder Kunst-;
Stoff sind.
• Südafril cische Schädlings-
bekämpfer siedelten unlängst in
Krankenhäusern der Provinz^
Transvaal eine bestimmte netz-
bauende Spinnenart an, nachdem!
dort Fliegen gegen chemische In-¡
sektengifte immun geworden wa-
ren. Ergebnis: Nach zweieinhalb
Monaten ging die Zahl der Flie-
gen um 99 Prozent zurück.
„Die. Spinnen schaden uns,
nicht, sie sind uns zufällig sogar
nützlich“, erkannt0 der englische
Tier-Autor John > ompton, der
glaubt, „r-»ß wir cune die Spin-
nen nicht existieren können“«;
Denn die Kleinst-Raubtiere sind
die ärgsten Feinde der Insekten
— jener Tiergruppe also, deren
Milliarden und Abermilliarden
gefräßige Mitglieder ein gut Teil
der mer schlichen Nahrungsmittel
ve üch an und darüber hinau ‘
d ge Ehrlichsten Seuchen ver-
bx eiten.
Bei einer Volkszählung“ auf i
einem normalen Stück Ackerland
in Südengland registrierten Zoo-‘
« jí yjf
logen rund neun Millionen Spin-
nen. Crompton: „Und jede die^
ser neun Millionen Spinnen tötet
Tag und Nacht Insekten.” In
ganz England und Wales (etwa
so groß wie die Bundesrepublik
ohne Bayern) fressen demnach
die Spinnen alljährlich eine In-
sektenbeute, die „bei weitem
mehr wiegt ala 45 Millionen
Briten“.
Doch die unauffällige Hilfe-
leistung wird den kleinen Hel-
fern wenig gedankt Denn noch
immer prägen die althergebrach-
ten Vorurteile das Spinnenbild,
obwohl Biologen seit langem
wissen, daß Spinnen keine In-
sekten sind, sondern eine eigen-
ständige Tiergruppe, die mit
30000 Arten siebenmal größer
ist als die Säugetier-Gruppe.
Spinnen sind zudem keine Gefahr
für Menschen (mit Ausnahme’
von ganz wenigen besonders gif-
tigen Arten), und Spinnenweib-
chen fressen keineswegs immer
ihre Partner auf. Gattenmord ist
nur bei zwei Gattungen obliga-
torisch.
Die Forscher fanden auch her-
aus, daß Spinnentiere lange vor
dem Menschen und selbst vor
den längst ausgestorbenen Dino-
sauriern die Erde betraten: Sie
waren vor mehr als 400 Millio-
nen Jahren die ersten Tiere, die
sich aus dem Meer aufs Fest-
land wagten. Seitdem haben sich
die Spinnen zu einer hochspezia-
lisierten Räubersippe entwickelt,
die in ihrer Artenzahl nur noch
von den Insekten übertroffen
wird.
Die „Echten Spinnen” unter-
scheiden sich von ihren nächsten
Verwandten, den Skorpionen,
Zecken und Milben, vor allem
durch die Fähigkeit, Spinnfäden
zu erzeugen — und durch ein „im
Verhältnis zum übrigen Körper
sehr großes Gehirn“ (so der Kie-
ler Spinnenexperte Kulimann).
Weitere typische Spinnenmerifa.
male sind die acht Beine, die bei-
den Giftklauen am Kopf und die
— zumeist acht — unbeweglichen
Punktaugen.
Alle Spinnen sind Raubtiere.
Aber ihre Beute fangen sie auf
recht unterschiedliche Weise.
Nur rund ein Zehntel aller Spin-
nenarten baut Netze. Der große
Rest geht katzengleich auf Jagd
(wie die Springspinne), lauert
versteckt in Erdhöhlen (wie die
— für Menschen ungefährliche —
Tarantel), sitzt im farbigen Tam-
kleid in Blüten (wie die Krab-
benspinne) oder jagt, einem
Froschmann gleich, unter Wasser
nach Beute (wie die Wasserspin-
ne, die sich eine Luftblase zum
Atmen mitnimmt).
Solche Anpassungsfähigkeit
ermöglichte es den Spinnen, sich
selbst in menschlichen Behau-
sungenerfolgreich zu behaupten,
Regekrechte
Zeltdächer bauen
die Spinaen der Gattua
»Urnctea«. Das *ei&ge
Gespinst dient ab Wob
bohle. Zur Tarnung
ist das Netz ndt Beete-
resten bestückt Mit
Fadenbündeta (siebe
Zeichnung rechts}
Ist das Zeltdach ans
Boden verankert
Vosa Zeltdach Weg
spannen die Spinnen
»Stolperdriihte«, die an
eigens errichteten
Masten raflniert auf-
gehängt sind and
jedes vorbeilanfende
Insekt sofort melden.
Diese Spinnen-Netze
haben eine verblüffende
Ähnlichkeit mH
modernen Zeltdächern
Olympia-Zeltdach) In Millionen von Jahren Imiten
die Spinnen perfekten Netzbau. Jetzt lernen
«die Architekten von ihnen
obwohl — wie John Crompton
spottet — „die Hausfrauen den
Spinnen den Krieg erklärt ha-
ben“.
Der weibliche Haß auf die
HauBspinne scheint mythische
Ursprünge zu haben. So er-
zahlt eine griechische Sage von
einem Mädchen namens Aradme,
die sich auf das Weben kostba-
rer Stoffe verstand. Aradme
webte so perfekt, daß sie, ver-
messen, die Göttin Athene zum
Webstreit herausforderte. Die
Göttin fühlte sich durch das Mäd-
chen verspottet und verwandelte
sie in eine Spinne, in ein Ge-
schöpf also, das alle anderen Le-
bewesen in der Webkunst über-
trifft.
Seitdem nennen die Wissen-
schaftler die Spinnen „Arachni-
den”, und die Spinnenforscher
heißen „Axachnologen“. Zwar
betätigte sich einst schon Ari-
stoteles als erster Arachnologe,
doch dann schwand das wohl-
wollende Interesse der Men-
schen für die tierischen Web-
künstler. Im Mittelalter wurden
die Spinnen für die Pest und an-
dere Geißeln der Menschheit
verantwortlich gemacht, obwohl
— wie Forscher inzwischen her-
ausfanden — durch Spinnenbis-
se keine Krankheiten übertra-
gen werden. Als die Zoologie
sich schließlich zu einer ernst-
haften Wissenschaft entwickelte,
Äwi»Aörtar~d!te—rierfarscAer
dann lieber bunte Schmetterlin-
ge und Käfer.
Doch nun bemühen sich Kull-
mann und Kollegen, die Lücke
zu anderen Zoologie-Sparten zu
schließen. Kulimann gelang es,
durch sorgsames Studium von
Spinnen und ihren Netzen die
Entwicklungsgeschichte der netz-
bauenden Spinnen zu rekonstru-
ieren. Er fand, daß zwei ver-
schiedene Spinnengruppen auf
getrennten Wegen den bestmög-
lichen Netztyp unabhängig von-
einander „erfunden“ haben: das
Radnetz.
Auch bei der Erforschung des
Spinnenverhaltens gelang dem
Kieler Arachnologen inzwischen
ein Durchbruch. Er beobachtete
große Unterschiede-im Sozialver-
halten einzelner Spinnenarten.
Die Rangfolge reicht von asozia-
len Räubern, bei denen das Männ-
chen beim Liebeswerben auf der
Hut sein muß, damit es nicht
von der Partnerin aufgefressen
wird, bis hinauf zu Netzbauem
mit hochentwickeltem sozialem
Verhalten. Diese Arten leben,
jagen und bauen stets gemein-
sam” und’ smcf dadurch für den
gezielten Einsatz als Schäd-
lingsbekämpfer besonders inter-
essant.
Die Vorteile eines Gemein-
schaftslebens nützen die Spinnen
freilich nicht aus, um besonders
viele Nachkommen durchzubrin-
gen — im Gegenteil. Die Sozial-
spinnen fangen zwar mehr Beu-
te, haben dafür aber auch weni-
ger Kinder. Ähnlich wie in der
menschlichen Zivilisation , zeugen
Spinnen von bestimmten sozial
schwächeren Arten in der Regel
mehr Nachwuchs als die auf ei-
nem hohen sozialen Standard
lebenden Gattungen: Asoziale
Spinnen setzten rund 400 meist
unversorgte Junge in die Welt;
Weibchen feus dauerhaften Ge-
meinschaften dagegen sorgen
sich auch nach dem Schlüpfen in-
tensiv um ihre nur etwa 30
Spinnenkinder. Günter Hoof